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Vor wenigen Tagen hat mich eine kurze Radiodurchsage hellwach gemacht. Militärputsch in der Türkei. Brücken gesperrt. Man weiß noch nichts genaues. 

Nachdem ich in den vergangenen Monaten schon oft die Sorgen von Menschen aus meinem Umfeld hörte, die durch Heirat oder Abstammung Verwandte in der Türkei haben, dachte ich nur: ach du Scheiße.  Mein Bauchgefühl sagte mir, dass weder ein Militärputsch, noch ein Rückschlag der türkischen Regierung die Lage verbessern könnte. 

Und dann traten die schlimmsten Befürchtungen ein. 

In kürzester Zeit finden Überlegungen statt, die Todesstrafe für mindestens die Putschisten, wenn nicht gar für alle Sympathisanten, oder gleich alle, die irgendwas gegen die Regierung sagten und somit schon irgendwie dazu gehören, wieder einzuführen.

Zehntaussende Akademiker, Staatsbeamte, Richter werden entlassen, wenn sie nicht als unbedingt staatstreu gelten.

Und ehrlich gesagt - wer würde eine "demokratische" Abstimmung jetzt noch gegen die Meinung Erdogans ankreuzen, wenn er dadurch um das Wohlergehen seiner Familie oder um sein Leben fürchten müsste.  

Aber wie sieht das Ganze denn in Deutschland aus? Aus vielen Mündern höre ich derweil: Wir hier in DE, wir hätten gar keine Demokratie mehr. Die Politik macht doch, was sie will

Und in der Tat, glänzten gewählte Parteien in letzter Zeit nicht gereade dadurch, Wahlversprechen einzuhalten. Es herrscht ein seltsames Selbstverständnis, dass Pesonen sich durch die Wahl zu einer Megakompetenz erhoben fühlen. Vielen Politikern ist gar nicht mehr bewusst, dass sie nicht wegen ihres strahlenden Charakters und ihrer Unfehlbarkeit (ich kichere grad beim Schreiben) wählten, sondern weil sie den Wählern bestimmte Dinge versprachen.

Aber das Ergebnis, wenn Dinge nach der Wahl plötzlich nicht mehr sind, wie vor der Wahl, ist, dass der handelsübliche Wähler resigniert. 

Das bloße Gefühl, nichts mehr ausrichten zu können, genügt mittlerweile. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse erlauben Vielen nicht mehr, sich ausreichend zu informieren. Populismus scheint als bequeme und wirksame Methode, doch noch etwas zu bewegen. Aber wohin? Solange sich die Gebildeten zurücklehnen, und die Verantwortung ablehnen (der Pöbel hätte sich doch informieren können), wird unsere Gesellschaft immer mehr gespallten und die Abschaffung einer Demokratie erfolgte zuerst in schleichenden, kleinen Schritten. 

Ich wünsche mir, dass wieder mehr Menschen laut werden, und sich für ihre Belange einsetzen. Denn nur so können wir die jetztigen Freiheiten wahren. Können uns unbesorgt in der Bar und auf der Straße; oder hier im Internet; über Politiker und Politik mockieren. 

Wisst ihr noch, wie damals die Kumpels im Pott auf die Straße gingen, und gegen die Schließung ihrer Zeche protestierten? Proteste verganger Zeiten haben immer etwas bewirkt. Manchmal Kleingkeiten. Machmal auch nur vorübergehende Pattisituationene, die aber einem passenden Ersatz Zeit gaben, Fuß zu fassen. Aber wenn wir warten, bis die Wut zur Verzweiflung wird, ist Gewalt nicht mehr weit. Und das kann niemand mehr steuern. Regt euch auf, bevor die Büchse der Pandora nicht mehr zu schließen ist, und ihr die Gelassenheit verliert, euch über Sinnhaftigkeit und Hintergründe zu informieren.

Truth - Invertigo