Ich habe mal ein Buch über die Geschichte des Satans in den historischen Religionen gelesen. Ein Kapitel habe ich noch gut in Erinnerung. Es beschreibt, wie sehr Religionen von ihrer Umgebung geprägt wurden. Wüstengegenden haben mehr Monotheistische Religionen erzeugt (dort ist auch nichts), und eine einzige übermächtige Macht wurde dort schnell konstruiert.
Währenddessen haben bewaldete, vielfältige Landschaften häufig Religionen mit einer Vielzahl von Göttern, Feen, Waldgeistern gefördert.
Aber wie sieht unsere Umgebung heute aus? Eine technisierte Welt, ohne jeglichen Bezug zur realen Umwelt. Fragen kann ich schnell meinem Rechner stellen. Die Antwort, die ich dort aus diversen Quellen herausziehe, kann ich übernehmen und weiter verbreiten.
Ich beobachte immer häufiger, dass sekundäres Wissen - das heißt Wissen, das nicht auf meiner eigenen Erfahrung beruht, eigene Erfahrungen verdrängt. Wie unreflektiert kann ich mir die fremden Positionen aneignen? Wie sehr kann mich eine kommerzielle Software beeinflussen?
Google spuckt individualisierte Suchergebnisse aus, die nach automatischen Berechnungen automatisch meinen Präferenzen entsprechen sollten.
Ich kann mich allerdings noch an die Zeit vor Google als Weltmacht erinnern. Da habe ich teilweise viel Zeit damit verbracht, Links in Suchmaschinen zu sichten, die in diversen Sprachen erstellt waren, für mich überraschende Informationen enthielten.
Mittlerweile spielt iTunes eher Musik, die meinen Vorlieben entsprechen könnte (manchmal habe ich das Gefühl, auch lieber Musik, die in iTunes gekauft werden kann), Google schickt mir die Links in meiner Sprache und meiner Filterbubble entsprechend. Mir wird weder in die Facebookstartseite, noch sonstwo Politik hereingespült, die ich ablehne.
Aber wann ist es soweit, dass diese Automatismen auch die praktische Welt beeinflussen. Wenn die Polizei oder andere Ermittlungsbehörden auf Berechnungen zugreifen, die eher zum Erfolg führen. Dann haben die Menschen, die die Programme schreiben, mehr Möglichkeiten auf Ergebnisse Einfluss zu nehmen, als die ermittelnden Beamten.
Sind die Filtervoraussetzungen für die Auswertung so gesetzt, dass sie neutral zu Ergebnissen (welchen auch immer) führen können, oder sind diese mit Vorurteilen durchsetzt? Wenn bei sonst gleichen Voraussetzungen ein gewisses Merkmal wie Hautfarbe, Tattoos, bestimmte Musikvorlieben und vieles mehr verstärkt herausgepickt werden, fängt eine automatische Auswertung von massenhaft gesammelten Daten gefährlich. Denn sie prägt das Bild dieser Leute in der Öffentlichkeit. Wird eine bestimmte Gruppe weniger überprüft, als eine andere, wird in der überprüften Gruppe auch mehr gefunden.
Bei den ITlern wird häufig die Formulierung "Magie" benutzt, um Vorgänge zu beschreiben, die nicht computerversierte Menschen nicht verstehen. Die Letztere mit Ehrfurcht betrachten, und sich oft nicht mehr trauen, in Frage zu stellen.
Dann sind Ergebnisse aus automatischen Auswertungen bequem wie Fastfood. Und genauso ungesund. Die Menschen wissen, dass sie das besser nicht nutzen sollten, tun es aber trotzdem, weil es Zeit spart. Sobald Convenience-Systeme etabliert sind, ist die Zeit für andere Dinge reserviert, so dass ein Absprung davon einen noch extremeren Aufwand bedeutet. Die Mechanismen, die diese Daten erheben, müssen automatisiert werden. Mehr Kameras, mehr Software, die die Datenberge auswertet, mehr Personaldaten, Gesundheitsdaten, Bewegungsdaten ...
Ich will, dass sich mehr Menschen mit den Dingen beschäftigen und Wissen erlangen. Ich möchte nicht, dass die ersten erst dann aufwachen, wenn wir eine neue Religion der totalen Überwachung etabliert haben.