Monthly Archives: November 2016

Ich war vorhin auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt.

Es gibt dort den größten Weihnachtsbaum (ob Europas Größten, der Welt, oder des Universums weiß man nicht so genau).

2016 11 27 Dortmunder Weihnachtsmarkt - Riesenbaum
2016 11 27 Dortmunder Weihnachtsmarkt - Riesenbaum

Jetzt gibt es dort auch den größten Adventskalender.

dortmund-xmaskalender-2016

bei dem ich mich frage: was ist da drin: Autos? Einsame Teddybären?

Dann gab es die längste Bratwurst, die größte Portion von ...  und dann bin ich einfach wieder heim gefahren.

Zu viel Gedöns. Zu viele Menschen. Zu viel.

Zu viel Standard. Zu viel Fressbuden. Zu viel Kram, der offensichtlich billig hergestellt wurde.

Die Menschen, die dort herum liefen hatten eines gemein: sie waren gestresst, betrunken, überfressen, oder von den Eindrücken erschlagen. Oder gleich von allem etwas.

Es erforderte schon weit über IKEA-Einkäufe hinausgehende Fähigkeiten, irgendwo ein ruhiges Eckchen zu finden, wo man einkehren konnte. Dem Alltag entfliehen. Besinnlichkeit erleben. Sich einfach nur mit Leuten unterhalten.

Muss denn immer alles gleich Superlative sein. Wozu überhaupt? Um einmal OOooh zu sagen? Und dann.

Mir fehlen die ruhigen Cafés, die Rückzugsorte in dieser Zeit. Mir fehlt der Winter, in dem einfach mal alles etwas langsamer läuft. Mir fehlen die Lokalitäten und Stände, wo man die verzickten Kleinigkeiten durchprobieren kann. ohne sich gleich nach dem ersten Imbiss zu fühlen, wie die geschundene Mastgans, die in einigen Wochen auf dem Weihnachtsteller landen wird.

Und da fröhne ich meinem Luxusproblem und frage: Darf es auch ein bisschen weniger sein?

 

 

 

Die Argumente sind kurz. Meist bestehen sie nur aus einem Satz.

Der ist Nazi, sagen sie. Das ist eine Feministin, sagen sie. Das ist ein Arbeiter, sagen andere über irgendeinen Menschen. Und meist wollen sie uns damit sagen: komm da weg. An dieser Person haftet etwas Schlechtes.

Aber meist haftet der Definition ein ganzes Weltbild an Gedanken an, das ich teile. Oder auch nicht.

Das ist ein Nichtsnutz, der ist arbeitslos.

Das hörte ich einmal. Und überlegte, warum Arbeitslose zu nichts nütze sein sollten. Nur weil er gerade keinen Job hat? Oder sollte mir das sagen, dass der gar nicht abeiten will? Aber dann wäre er ja doch zu etwas nutze, aber will halt nicht.

Und dann unterhielt ich mich mit einem Nazi. Einem echten. Einem, der im 2. Weltkrieg zu den Nationalsozialisten ging, weil er dort zur See fahren konnte. Er war nie in der Nähe des Krieges, erzählte er. Er hegte nie einen Groll gegen Juden oder irgendeinen Menschen sagte er. Er wollte den Krieg nicht. Er wollte die Konzentrationslager nicht. Der alte Nazi fragte mich, ob ich ihn verachten würde. Ob ich erwartet hätte, dass er sein Leben riskiert, indem er gegen die Geschehnisse ankämpfte. Geschehnisse, von denen er auf See höhrte, als sie längst Geschichte waren. Man merkte, die Gedanken ließen ihn nicht ruhen. Das war nicht so ein Nazi, wie ich mir einen vorstellte, wenn einer wieder sagte "Geh da weg, das ist ein Nazi. Sprich nicht mit dem".

Sie ist Rassistin sagen sie. Aber niemand bemüht sein Denken so weit, um sich vorzustellen, was ihre Worte auf Freunde haben können. Das sind Rumänen, die gehören hier nicht hin, sagte sie. Eine Freundin von mir ist gebürtige Rumänin. Sie ist eingebürgert. Sie hat einen guten Job. Man sieht ihr nicht an, wo sie geboren wurde. Was sie durchgemacht hat. Aber die Worte der Rassistin hielt sie nicht aus. Nicht weil sie Angst vor ihr hatte, sondern weil niemand widersprach. Die Angst, dass ihre Freunde schweigen würden, wenn mehr als nur böse Worte kommen, machte sie stumm. Und verzweifelt.

Sie ist Rassistin sagen sie. Und akzeptieren damit vielleicht sogar den Gedanken an eine Rassenlehre (der übrigens so gut wissenschaftlich widerlegt ist, dass es ein leichtes wäre, daran zu denken, was für ein Unsinn es ist, von Rassen zu sprechen, wenn es doch so etwas gar nicht gibt). Was es so leicht machen würde, diese Frau auszulachen. Und ihr zu zeigen, dass sie falsch liegt. Aber dazu muss man den Gedanken ausformulieren.

Donald Trump hat im Wahlkampf so viele Namen bekommen. Und nun, da er gewählt wurde, rätseln die Presse, die Wähler; sogar seine Unterstützer, was er eigentlich ist. Oder will. Vielleicht ist er einfach nur ein dummer, respektloser, eigennütziger Mensch. Aber dieses "er ist..." hat ihm eine ominöse Macht verliehen. Er ist Sexist sagen sie. Und Trump wurde gewählt. Und alle unser Wissen, was Sexisten machen könnten, füttert unsere diffuse Angst, dass er ja gewählt wurde; dass Menschen akzeptabel finden könnten, was Sexisten in unserer Fantasie schlimmstenfalls sagen oder tun könnten. Während andere sich das Wort vielleicht gar nicht so schlimm ausmalten. Und so sagen wir etwas. Und denken etwas Anderes. Viel über seine Taten oder Worte geredet wurde dabei nicht. Er ist... hätte allen genügen sollen; und das sollte eine Warnung sein.

Was ist so schlimm daran, über Dinge zu diskutieren. Liebe Presse: Was ist so schlimm daran, Fragen zu stellen, wie Behauptungen umgesetzt werden sollen? Was ist so schlimm, immer wieder die Hintergründe auch unserer eigenen Gedanken zu hinterfragen. Was ist schlecht daran, die Konsequenzen zu definieren?

So machten sich alle ihre eigenen Gedanken. Und niemand kam der Möglichkeit, die kommende Realität zu erahnen auch nur ein Stück näher.

 

 

Immer mehr Länder werden immer weniger demokratisch, folgen Populisten.

Was erwartet uns in Deutschland? Was wird aus den Menschen in den Ländern, in denen die Demokratie schwindet und die dünne Schicht der Zivilisation langsam zerreißt?

FrauMaja schreibt hier treffend, darüber, dass die Nachteile nicht so offensichtlich sind, wie es Einige erwarten. http://fraumaja.de/2016/11/14/vielleicht-sollten-bei-uns-mal-die-rechtspopulisten-an-die-macht-kommen-gegenrede/

Ist die Quelle nun echt oder nicht? Der BBC schreibt darüber, was der Brexit bisher gebracht hat. Direkt nach dem Volksentscheid in UK ruderten die Marktschreier, die ihn herbeigeführt hatten zurück. Die prognostizierten Zahlen waren wohl eher nicht fundiert, und überhaupt macht das Land bislang wenig Anstalten, den Austritt aus der EU wirklich zu vollziehen. Was übrig bleibt ist Streiterein, verunsicherte Menschen, und Firmen, die um ihre Fachkräfte kämpfen.

http://www.bbc.com/news/uk-politics-37983948?ns_mchannel=social&ns_campaign=bbc_breaking&ns_source=twitter&ns_linkname=news_central

Während in der Türkei immer mehr Menschen sowohl um ihren Job als auch um ihre Freiheit bangen. Wer Erdogan nach dem Mund redet, fühit sich noch halbwegs wohl. Wer das nicht tut, oder in der Vergangenheit nicht tat, muss zurecht Angst haben.

http://www.derwesten.de/politik/cumhuriyet-journalisten-kaempfen-wir-ergeben-uns-nicht-id12359007.html

Aus Polen häufen sich die unangenehmen Nachrichten, und die Nachrichtenlage zur Ukraine wird mir gerade zu unübersichtlich.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/paramilitaer-polen-russland-verteidigung-zivile-kampfgruppe

Alles in allem wird es nur ungemütlicher. Menschen verfallen in Aktionismus, ohne die tatsächlichen Ursachen ihrer Ängste und Probleme zu bekämpfen. Es trifft zuerst andere Menschen. Wegsehen ist also noch bequem möglich. Und auf die Idee, dass auch die Rechte der restlichen Bevölkerung eingeschränkt werden, kommt so schnell niemand.

Menschen, die die Populisten wählten, weil sie sich gegen die Undurchschaubarkeit der Politik und Willkür der Gesetzgebung verunsichert fühlten, bekommen das genaue Gegenteil. Das ist, wie eine Lawine vermeiden zu wollen, indem man den Schnee am Fuß des Berges zuerst abträgt. Es kostet viel Mühe; erstmal passiert nichts; und dann ist der Zerfall irgendwann unausweichlich.

kreide

Damals. Handys waren noch in den meisten Fällen mit Schwarzweißdisplay ausgestattet. Smartphones gab es noch nicht. Man chattete noch mit begrenztem SMS-Kontingent. Und benutzte Telefonnummern.

Abends gegen halb elf erreichte mich eine SMS mit unbekannter Nummer:

"Hallo Sandra, ich kann es kaum glauben dass Du endlich wieder hier bist."

5 Minuten später.

"Ich habe mich ja damals nicht getraut, dir das zu sagen, aber Du hast mir all die Jahre so unglaublich gefehlt"

10 Minuten später.

"Und dann habe ich gehört, dass Du wieder in Hamburg wohnst. Du glaubst nicht wie ich mich freue."

Nachdem ich meine Irritation überwunden hatte schrieb ich kurz zurück.

"Hallo, weder heiße ich Sandra, noch wohne ich in Hamburg. Falsche Nummer?"

10 Tage später erreichte mich noch eine SMS von diesem Absender:

"Hallo unbekannterweise. Ich wollte mich nur bedanken. Du hast eine Beziehung gerettet".

Was wohl aus den Beiden geworden ist?

And they lived happily ever after.

Gerade stolperte ich über eine Schlagzeile. "Starköchin rechnet mit Veganern ab - Sojamilch genauso wenig natürlich wie Coca Cola".

Mal abgesehen davon, dass nach Werbepopup die Paywall, die zu dem Artikel führen sollte, so gut versteckt war, dass ich nicht mal den Provider dieser Nachricht benennen kann, ist das ein Pardebeispiel, wie Diskussion nicht laufen soll.

Der erste Eindruck sagt mir, dass hier ein unglaublicher Skandal aufgedeckt wurde. Der erste Gedanke dazu produzierte eine müde Langeweile, und ich war genervt. Genervt darüber, dass hier lediglich perfekt die Grüppchendynamik bedient wurde. Ieh ein Veganer. Rücken wir besser ein wenig davon ab und essen demostrativ ein Stück Steak. Am liebsten blutig oder "rare" wie der Brite sagt. Nicht, weil uns das Stück Fleisch jetzt so gut schmecken würde, sondern mehr als eine Art Beschwörung. Damit uns Veganer nicht so nahe kommen. Um nicht mit den bad vibrations dieser Leute kontaminiert zu werden. Wer weiß schon was passiert, wenn sie uns mit ihrem Gedankengut infiltrieren.

Als ob wir nicht mehr selber denken könnten. Als wenn wir plötzlich die Fähigkeit, bewusste Entscheidungen treffen zu können, verlieren würden.

Ich glaube kein Veganer, der sich halbwegs mit Ernährung beschäftigt hat, fällt über diese Schlagzeile vom Hocker. Die Essenz dieser Ernährungsform ist schließlich, auf Produkte tierischer Herkunft zu verzichten. Es gibt andere Diäten (eine Diät ist nicht unbedingt Reduktion von Kalorien), die auf natürliche Nahrungsmittel wert legen. Bei denen wäre diese Starköchin richtig.

Da mein Grund, auf vegane Rezepte zurückzugreifen eher der ist, dass ich Milchprodukte nicht mehr so gut vertrage - nee, nicht Laktose - Allergie - danke ich daher an dieser Stelle mal kurz allen geduldigen Veganern in meinem Umfeld, die mich sehr fähig mit Beratung zu Alternativprodukten und Rezepten unterstützen.

Zurück zum Thema: Derartige Beiträge dienen nur dazu, einen Wohlfühlaspekt in der eigenen Gruppe zu schaffen, der einzig und allein in der Abwertung einer anderen Gruppe besteht.

Welches Ziel mit einer bestimmten Ernährung erreicht werden soll, wird dabei komplett außer Acht gelassen. Es gibt Veganer, die einfach Töten von Tieren ablehnen, es gibt andere, die die komplette Ausbeutung von Tieren für den Menschen ablehnen (Honig, Schafswolle), wobei ersterer dazu beiträgt, die Ernährung durch viele Pflanzen erst zu ermöglichen.

Ich schweife ab. Der Punkt ist doch: was will ich aussagen? Ja, es gibt viele stark verarbeitete Lebensmittel, die vor einer undefinierten Menge an Inhalts- und Zusatzstoffen nicht mehr als gesund bezeichnet werden können. Diese Lebensmittel gibt es aber sowohl auf veganer, als auf nichtveganer Seite.

Dass Fleischersatzsstoffe, die derzeit von großen Lebensmittel- und Chemiekonzernen entwickelt und vertrieben werden, nicht wirklch gesünder sind, als eine zu fleischlastige Ernährung, ist unbestreitbar. Aber halt nicht der Grund für die meisten, sich vegan zu ernähren.

Was bleibt ist das Bashing. Das Aufblasen jedes noch so kleinen, vermeintlichen Skandals. Hier ist dieses Thema nur ein Stellvertreter für viele Themen. Diese Art ist ein Armutszeugnis, und der Tod jeder vernünftigen Diskussion und der Bereitschaft, sich wirklich mit Themen zu beschäftigen und so dazuzulernen.