Monthly Archives: July 2016

Vor wenigen Tagen hat mich eine kurze Radiodurchsage hellwach gemacht. Militärputsch in der Türkei. Brücken gesperrt. Man weiß noch nichts genaues. 

Nachdem ich in den vergangenen Monaten schon oft die Sorgen von Menschen aus meinem Umfeld hörte, die durch Heirat oder Abstammung Verwandte in der Türkei haben, dachte ich nur: ach du Scheiße.  Mein Bauchgefühl sagte mir, dass weder ein Militärputsch, noch ein Rückschlag der türkischen Regierung die Lage verbessern könnte. 

Und dann traten die schlimmsten Befürchtungen ein. 

In kürzester Zeit finden Überlegungen statt, die Todesstrafe für mindestens die Putschisten, wenn nicht gar für alle Sympathisanten, oder gleich alle, die irgendwas gegen die Regierung sagten und somit schon irgendwie dazu gehören, wieder einzuführen.

Zehntaussende Akademiker, Staatsbeamte, Richter werden entlassen, wenn sie nicht als unbedingt staatstreu gelten.

Und ehrlich gesagt - wer würde eine "demokratische" Abstimmung jetzt noch gegen die Meinung Erdogans ankreuzen, wenn er dadurch um das Wohlergehen seiner Familie oder um sein Leben fürchten müsste.  

Aber wie sieht das Ganze denn in Deutschland aus? Aus vielen Mündern höre ich derweil: Wir hier in DE, wir hätten gar keine Demokratie mehr. Die Politik macht doch, was sie will

Und in der Tat, glänzten gewählte Parteien in letzter Zeit nicht gereade dadurch, Wahlversprechen einzuhalten. Es herrscht ein seltsames Selbstverständnis, dass Pesonen sich durch die Wahl zu einer Megakompetenz erhoben fühlen. Vielen Politikern ist gar nicht mehr bewusst, dass sie nicht wegen ihres strahlenden Charakters und ihrer Unfehlbarkeit (ich kichere grad beim Schreiben) wählten, sondern weil sie den Wählern bestimmte Dinge versprachen.

Aber das Ergebnis, wenn Dinge nach der Wahl plötzlich nicht mehr sind, wie vor der Wahl, ist, dass der handelsübliche Wähler resigniert. 

Das bloße Gefühl, nichts mehr ausrichten zu können, genügt mittlerweile. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse erlauben Vielen nicht mehr, sich ausreichend zu informieren. Populismus scheint als bequeme und wirksame Methode, doch noch etwas zu bewegen. Aber wohin? Solange sich die Gebildeten zurücklehnen, und die Verantwortung ablehnen (der Pöbel hätte sich doch informieren können), wird unsere Gesellschaft immer mehr gespallten und die Abschaffung einer Demokratie erfolgte zuerst in schleichenden, kleinen Schritten. 

Ich wünsche mir, dass wieder mehr Menschen laut werden, und sich für ihre Belange einsetzen. Denn nur so können wir die jetztigen Freiheiten wahren. Können uns unbesorgt in der Bar und auf der Straße; oder hier im Internet; über Politiker und Politik mockieren. 

Wisst ihr noch, wie damals die Kumpels im Pott auf die Straße gingen, und gegen die Schließung ihrer Zeche protestierten? Proteste verganger Zeiten haben immer etwas bewirkt. Manchmal Kleingkeiten. Machmal auch nur vorübergehende Pattisituationene, die aber einem passenden Ersatz Zeit gaben, Fuß zu fassen. Aber wenn wir warten, bis die Wut zur Verzweiflung wird, ist Gewalt nicht mehr weit. Und das kann niemand mehr steuern. Regt euch auf, bevor die Büchse der Pandora nicht mehr zu schließen ist, und ihr die Gelassenheit verliert, euch über Sinnhaftigkeit und Hintergründe zu informieren.

Truth - Invertigo

Bei einem Islandurlaub habe ich gelernt, dass man dort nicht einfach Steinchen werfen darf. Man könnte sonst das unsichtbare Volk treffen und erzürnen. Weil es dort ja unzählige Feen, Trolle und Ähnliche gäbe.

In Deutschland habe ich dann mal einen Kirschkern in die Hecke geworfen. 

"TSCHILP" 

Entschuldigung, Vogel.

Schwarz und weiß. Gut und böse. Wie schön wäre es doch, wenn Computer schon das für mich aussuchen, was ich mag, und ich mich mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben beschäftigen kann. 

Das war einmal eine Idee. 

Als ich meine ersten Schritte am Computer tat, war das Internet gerade erst in der Allgemeinheit angekommen. Zuvor ein Kommunikationsmittel mit hohen technischen Hürden; mit Diskussionen in sehr spezifischem Context, ist das Internet in den späten 90ern in der allgemeinen Bevölkerung angekommen.

AOL hieß damals die Firma, die einen Aufschrei unter den Internetnutzern hervorrief. Einfacher Zugang per CD, die die Einrichtung erleichterte, führte viele Menschen in das World Wide Web, die zuvor an der Einrichtung eines Computers gescheitert sind.

Daraufhin nahm die Masse der geteilten Daten stark zu.

Die ersten großen Suchmaschinen schlüpften aus den Löchern. Google kam erst Anfang der 90er. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich Stunden mit Lycos verbrachte. Die Ergebnissen waren relativ unsortiert. Ich verbrachte viel Zeit damit, die verschiedenen Ergebnisse, die mal mehr, mal weniger auf meine Suche passten, durchzugehen. Ich landete auf so vielen Sprachen; in so vielen Ländern. 

Heute sind die Berechnungen so gut, dass ich in den ersten Links das bekomme, was ich mir zu Beginn meiner Suchanfrage vorgestellt hatte. Plus etwas Werbung dazu. 

Facebook versucht zu ''lernen'', was mich interessiert. Und blendet andere Post aus. Selbst von Menschen, mit denen ich auf FB "befreundet" bin. Eine Freundin ändert ihren Familienstand, und wird kaum noch in meinen Ergebnissen angezeigt. Ein Bekannter postet ein Video, und fragt mich, ob ich das gesehen hatte. Ich konnte mir dieses Video nicht mal anzeigen lassen, als ich sein Profil anklickte. 

Das fällt mir manchmal auf, weil es früher anders war.

Wenn ich Begriffe wie Migration und Zuwanderung suchte, bekam ich auch die üblen, rassistischen Inhalte in meine Suche gespült. Dinge, die mich entsetzten, mit denen ich, allein am heimischen PC konfronstiert, mich auseinandersetzen musste.

Heute gibt es Inhhalte, die mir genehm sind. Wenn ich Begriffe suche, bekomme ich schnell den Eindruck, dass die ganze Welt meiner Meinung ist. Erstmal ist das ein gutes Gefühl. 

Solange ich mich mit den mir bekannten Menschen umgebe, die ich auch aussuchte, weil ich mich mit ihnen gut verstehe, fällt mir das vielleicht gar nicht weiter auf.

Aber was ist das für eine Welt, die mir nur das Bekannte verkaufen will. Die mir nichts Neues mehr zeigt? Ich werde nicht mehr gezwungen, meine Perspektive zu überdenken. Abenteuer beschränken sich auf geplante, abgesicherte Nervenkitzel. Und wenn mir doch einmal Fremdes begegnet, verstehe ich immer weniger, mich dort hineinzudenken. 

Und wenn es doch einmal passiert, denke ich an den Spaß, den wir früher hatten.