Tag Archives: Algorhytmen

Donald Trump, mal wieder. Menschen in Schockstarre arbeiten sich an immer neuen Erklärungsmodellen ab, um den Wahlerfolg eines klar bei Lügen und falschen Versprechungen erwischten Populisten zu erklären.

Zuerst verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch meine Timeline auf Twitter und anderen Medien, dass wir alle manipuliert werden. Mit dem recht aufmerksamkeitshaschenden Titel   "Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt."

Ein Mann, der seinen Lebensunterhalt auf dem Bewerten von Algorhytmen aufbaut, beschreibt, wie erschreckend es für ihn war, dass aufgrund dieser Auswahlkriterien und selektiver Information ein Trump einen Präsidentschaftswahlkampf gewonnen hat und UK auf den Brexit zusteuert.

Alles in allem soll ein Datenspezialist zwei ganze Nationen gegen ihren Willen so manipuliert haben, dass die Menschen wider ihres Willen und ihrer Vorteile wählten.

Ich habe den Artikel beinahe ehrfürchtig gelesen, und war beeindruckt wie verängstigt, was hier noch alles in Zukunft auf uns zukommen mag. Bereit das Thema aufzugreifen, und es weiter zu verbreiten.

Dann kam ein Blog-Kommentar vom @Fischblog, Lars Fischer, in den Scilogs, der mich ein wenig wieder einfing, und nachdenklich machte.

Einen Schritt zurück gehen, und das Ganze mal sachlich betrachten.  Das hört sich in meinen Augen nach einem Plan an.  Und ehrlich gesagt: seit meinem einen Einkauf bei Amazon schlägt mir der Konzern immer wieder vor, die Kamera zu kaufen, die ich schon habe (Schlau fände ich jetzt, mir Zubehör aufzudrängen). Manchmal bekomme ich Werbung, bei der ich mir mehr oder eniger den Zusammenhang denken kann, aber meistens denke: dafuq? Den Beitrag mit dem Mädchen, dass Werbepost aufgrund von Klicks auf Ernährungswebseiten etc. bekam, bevor es selbst wusste, dass es schwanger war, kennt auch ein Großteil meines Freundeskreises. Ist eine nette Anekdote, aber war es denn so? Jedenfalls bekam ich nach dem Lesen dann auch Werbung für Babyprodukte. Mitte 40 und definitv nicht schwanger, wie ich war, musste ich doch ein wenig über die platten und einfältigen Algorhytmen, oder die künstliche Intelligenz, wie man so schön sagt, schmunzeln.

Der @grmpyoldman fand dann noch diesen Blog aufbauend auf den ersten beiden:

Und da ich mir vor vielen Jahren einmal den Vortrag eines klugen Menschen ansah mit dem Titel "Wie verursache ich einen Börsencrash" - Fazit: "Ankündigen", überlegte ich noch mal, was das zuerst gelesene in mir angerichtet hatte. Wem nutzt diese Information? Das Erste dürfte jeden interessieren, der eine breite Masse von sich oder seinem Produkt überzeugen will.

Geht es hier um eine klar einzugrenzende, aber unheimliche und große Gefahr? Oder darum, dass wir einen sicherlich relevanten Teilaspekt für das alleinige Problem haben, und durch den Fokus darauf andere Mitspieler in diesem perfiden Spiel außer Acht lassen? Gar nicht mal so direkt gesteuert oder mit Absicht. Aber Menschen neigen halt dazu, eine einfache Lösung zu suchen, und sich bei gefundenem Schluldigen zurückzulehnen, und zu denken: haben wir den Schuldigen ausgemacht, wird sich das Problem schon irgendwie lösen.

Genau so machen es die Populisten. Wir bekommen eine vermeintlich einfache Lösung auf einem Silberteller präsentiert, die aber das Problem nicht löst, und uns davon abhält nach komplexen Zusammenhängen und tatsächlichen Lösungen zu suchen.

Vor dem Brexit war die englische Bevölkerung bereitwillig einverstanden, die nachweislich falschen Zahlen über die Folgen eines EU-Verbleibs gegen den Austritt zu glauben.

Platte Nicht-Lösungen von Trump wurden genauso schnell und bereitwillig geschluckt, wärend der US-Wahlkampf mehr einer Schlammschlacht mit Wrestlinganteilen als eines journalistisch begleiteten Schlagabtausches von Argumenten glich.

Die ständige Wiederholung angeblicher Fakten brennt sich so in den Köpfen der Menschen ein, und lässt diese weiter resignieren, und den nächsten stinkenden Happen ohne nennenswerte Gegenwehr schlucken.

Zeit, damit aufzuhören. Die Frage, die sich meiner Ansicht nach stellen sollte ist nicht "Wie verhindern wir den nächsten Trump?", sondern "Wie bekommen wir eine handlungsstarke, demokratische Regierung, die in unserem Interesse handelt?"

Ankündigen wäre kein schlechter Anfang. Nicht vergessend, dass dem Reden auch Taten folgen müssen.

 

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Update 10.12.2016: der WDR hat auch was dazu geschrieben: WDR über Big Data Foo

 

Immer wieder höre ich diesen Satz, wenn es um die aktuellen Meldungen zur Überwachungstechnologie, zu NSA und BND geht. Immer wieder weigern sich Menschen, sichere Programme zu nutzen, und senden statt dessen persönlichste Daten von sich und Freunden über Facebook und WhatsApp.

Ein schöner Begriff über die Datensammelwut von Behörden, Firmen, über die immer wieder nachgefragte Vorratsdatenspeicherung flog heute über meine Twitter-Timeline:

Datenmessies

Es geht um die Ansammlung aller verfügbarer Daten. Und es geht darum, wie wir (also die Gesellschaft) samt Politik, samt Behörden und jeder Privatmensch damit umgehen.

Erzählt mir ein guter Freund im Vertrauen, dass er unzufrieden mit ihrem Arbeitgeber ist, und er sich einen neuen suchen will, ist das sicher nichts, was Behörden auf den Plan bringen würde. Was ein Schandfleck in seiner Vergangenheit werden könnte. Aber doch - er hat in diesem Fall etwas zu verbergen. Denn sein Arbeitgeber dürfte verstimmt reagieren. Und Nachteile, wenn er es sich doch überlegt, sind vorhanden.

Es gibt gute Gründe, die zu der aktuellen Gesetzgebung geführt haben. Leider sind nicht alle Gesetze immer jedem bekannt. Zum Beispiel muss man bei einem Vorstellungsgespräch nicht auf alle Fragen antworten. Zumindest nicht wahrheitsgemäß. Beispiel Schwangerschaft.

Wenn mich jemand fragt (eventuell noch jemand, zu dem ich in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis stehe), welche Partei ich wähle, kann das Auswirkungen auf mein Leben haben.

Informationen sind dazu geeignet, fehlinterpretiert zu werden. So manches, was als Geschlechtskrankheit gilt, kann man sich auch auf einer schmutzigen Hoteltoilette oder bei einem Krankenhausaufenthalt im nicht an zivilisatorische Infrastrukturen angebundenem Land zuziehen kann. Diese Information allein kann also einige Sprengkraft mit sich bringen, wenn sie alleine für sich steht und in die falschen Hände gerät.

Während meiner Zeit mit den Piraten habe ich mit einigen Post-Privacy-Verfechtern gesprochen. Menschen, die meinen, dass alle Informationen öffentlich sein müssten, weil die Technik so weit ist, dass eh kaum noch was verborgen werden kann. Aber auch so eine Form von massiver Öffentlichkeit funktioniert nur mit Respekt und einer sinnvollen Bewertung dieser Daten. Das funktioniert nur, wenn jeder, der diese Daten zu Gesicht bekommt, auch die notwendige Bildung und Weisheit besitzt, diese auszuwerten. Deshalb verfechte ich auch das Recht auf Privatsphäre. Egal was über mich erhoben wird, ich muss immer noch Herr dieser Daten bleiben können. Rechtlich. Auch wenn das noch so schwer umzusetzen ist.

Hier wird sich die Gesetztgebung in den kommenden Jahren noch viele Gedanken machen müssen.

Jedenfalls haben unsere Datenmessies also mittlerweile so unvorstellbare Mengen an Daten und Metadaten angesammelt, dass kein Mensch mehr in der Lage ist, diese alle selbst und mit eigenen Augen zu sichten.

Aber es gibt einen Haufen an Ideen (intelligent bis irrwitzig), was man alles aus diesen Datenbergen herauslesen könnte.

Was bei diesen automatisch errechneten Ergebnissen herauskommt, sieht man oft an den Amazon-, Facebook, und Google-Ads, die versuchen, auf mich bestens zugeschnittene Werbung zu präsentieren, oder mit meinen Kontakten zu verknüpfen. Plötzlich werden in den Profilen von Bekannten Produkte geschaltet, gegen die sie aus Überzeugung (Tierschützer, Vegetarier ...) ankämpfen, und beeinflussen so mein Bild über diese Personen.

Habe ich einen Link angeklickt, so muss ich das versprochene oder präsentierte Ergebnis doch gut finden. Oder? Oder wollte ich mich lediglich darüber informieren, was für gruselige Dinge es doch gibt. Was andere Menschen tun. Ich habe mir damals auch den Film "Das Schweigen der Lämmer" mit dem psychopathischen Massenmörder Hannibal Lector angesehen. Mord finde ich trotzdem ziemlich abschreckend und die Bilder auch eher gruselig als ästhetisch.

Aber automatisch berechnete Auswertungen berücksichtigen das nicht. Die spucken Ergebnisse aus. Und um diese Ergebnisse zu bewerten, müsste wieder ein Mensch all diese Dateberge sichten. Zudem müsste dieser Mensch, egal ob er die Computer programmiert, oder die Ergebnisse überprüft, mit den möglichen Lebenssituationen aller von ihm überprüften Personen vertraut sein.

Und wollen wir wirklich allen Menschen den vernünftigen Umgang mit irgendwas oder irgendjemandem absprechen? Ich besitze scharfe Messer in meinem Haushalt - damit schneide ich Gemüse und Fleisch in der Küche. Ich habe einen großen Hammer in der Wohnung - damit könnte ich jemandem den Kopf einschlagen. Oder ich könnte damit Nägel in die Wand hämmern. Und was hilft es der Gesellschaft, wenn ich deshalb speziell überwacht werde. Wenn dadurch Menschen eingespannt werden, die in der Zwischenzeit tatsächliche Verbrechen aufklären könnten.

Warum sollte ich Angst vor einem Nachbarn entwickeln, der arabische Gesichtszüge trägt, weil jemand irgendwo einprogrammiert hat, diese Menschen genauer zu überprüfen, weil eben dieser programmierende Mensch der Meinung war, dass dies ein Merkmal für besondere Gefährlichkeit wäre?

Vielleicht haben 2 Mörder in meiner Stadt kurz zuvor das Buch "Alice im Wunderland" gekauft, wie ich auch. Muss ich mir nun Sorgen machen, dass ich einen Mord begehen könnte und sollte mich vorsorglich ins Gefängnis begeben?

Aber mit den steigenden Möglichkeiten der Technik und mit dem sinkenden Wissen, wie diese eigentlich funktioniert, werden die Menschen immer technikgläubiger. Und werden irgendwann akzeptieren, dass andere Menschen Druck, Kontrollen, Verhaftungen ausgesetzt werden, oder auch von Dingen ausgeschlossen werden, nur weil irgendwo berechnet wurde, dass diese Menschen eine Gefahr bedeuten könnten.

Wir könnten in einer vollautomatisierten Welt voller Angst leben.

Und hier noch ein Beispiel aus dem Realen Leben: so weit sind wir schon: http://bugspriet-blog.de/ich-habe-nichts-zu-verbergen/