Zaubersprüche sind nie ganz aus der Mode gekommen. Sprache bestimmt unser Leben und unser Leben bestimmt unsere Sprache. Menschen glaubten seit je her, dass sie die Welt verändern konnten, wenn sie etwas aussprachen.
Habt ihr auch mal davon gelesen, dass die Inuit - je nach Bericht 24, 24, 18 oder so verschiedene Begriffe für Schnee haben? Beeindruckend oder? Ja, wenn man in einer Welt lebt in der es lebenswichtig sein kann, wie der Schnee beschaffen ist?
Im Ruhrpott, Deutschland, ist das nicht unbedingt der Fall. Trotzdem haben wir schon eine beeindruckende Anzahl. Harsch, Schneematsch, Graupel ...
Aber was macht die Sprache mit uns? Wir lernen die Worte; wir denken darüber nach, während wir sie sprechen. Doch der Gedanke, dass jeder zu derselben Schlussfolgerung kommt, und dass diese auch noch so simpel ist, wie der erste einfache Gedankengang uns das vorgaukeln will, ist irrational wie unwissenschaftlich.
Ich könnte sagen, dass mein Denken ganz darauf fixiert ist, das Geschlecht einer beschriebenen Person zu überdenken, wenn ich ständig die geschlechtsbezogene, richtige Form benutze.
Einige bevorzugen dann - um diskriminierungsfrei zu reden oder zu schreiben - neue, möglichst neutrale Formen mit binnen-I, Sternchen, Unterstrich. Um möglichst viele mit zu meinen. Niemanden auszuschließen. Doch denke ich dann weniger über das Geschlecht nach, wenn es in dem Moment gar keine Rolle spielt?
Warum passiert es dann nicht, wenn ich "der Tisch", "der Mond", "die Zitrone", "das Fertiggericht" "das Kartoffelpürree" sage?
Wieviel macht der gewohnte Gebrauch eines Wortes aus - der gemeinsame Code?
Wenn ich von maskulin oder feminin spreche, meine ich dann nur die wissenschaftlich bewiesenen Auswirkungen der menschlichen Erbmasse in ihrer extremsten Ausprägung, oder auch die dazugedichteten Eigenschaften. Dann ist die Farbe Rosa feminin, weil viele dies Mädchen zuschreiben (obwohl es mal eine Farbe für Jungs war - das sanfte Rot, das als aggressiv - als Synonym für Blut und Kampf - stand. Und ist Aggressivität maskulin? Oder haben wir uns das nur viel zu lang eingeredet?
Sollen wir Worte verdammen, weil Menschen ihnen die falschen Zuweisungen geben? Oder Lesbarkeit einschränken, um ein Symbol für Respekt zu setzen - damit wieder Menschen ausschließen, die diese Fähigkeiten nicht ohne Mühe ausüben können? Wie wollen wir mit vergangenen Texten umgehen? Das Verständnis und deren Interpretation über die Jahrhunderte retten?
Das ist keine leichte Aufgabe. Ich habe darauf auch nicht die abschließende Antwort. Und ich bin froh, dass wir die Sprache haben, die - oft unvollkommen - ermöglicht, dass wir unsere Gedanken austauschen, so gut wie es eben geht. So gut, wie wir aus Schall, Zeichen, Worten, Sätzen und Erfahrungen einen gemeinsamen Code schaffen, der mit jeder Veränderung selbst eine Veränderung erfährt.