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Gerade habe ich festgestellt, dass ich mir vor der Zugfahrt die Ausgabe 47 der Zeit zwar heruntergeladen hatte, aber noch nicht gelesen.

Im Dossier ist ein lesenswerter Artikel über Google und die Macht der Datensammlung. Also der Nicht-Macht. Kurz gesagt: macht nix.

Der Titel "Warum glaubt Google, mein Kaninchen frisst Hundefutter" bringt den Inhalt im Wesentlichen auf den Punkt.

Beschreiben wird dort ein Selbstexperiment, wie gut die angeblich allmächtige Datenkrake die Werbung auf einen Nutzer anpasst. Und kommt zu einem Fazit, das ich schon längst als Bauchgefühl verankert hatte: Google (so wie einige andere für mich namenlose Dienste) haben so einiges an Daten über mich. Aber nicht das Allwissen, aus diesen Daten meine komplette Persönlichkeit nachzustricken, geschweige denn mehr über mich zu wissen, als ich es selbst weiß.

Ich selbst lache manchmal darüber, wie verzweifelt die Algorhytmen von Google oder Amazon versuchen, meine Klicks zu einem gebündelten Interesse zusammenzuführen. Nein, Amazon, ich will eben nicht die Kamera kaufen, die ich letzte Woche aufgrund des Supersonderangebotes dann doch mal nicht bei meinem Local Dealer, sondern in eurem Versand bestellte. Und diese Daten solltet ihr wirklich haben, denn sie kommen aus eurer Kundendatenbank. Hier frage ich mich ernsthaft, wieso Amazon nicht die Chancen nutzt, und mir Zubehör wie Kamerataschen, Speichermedien oder wiederaufladbare Akkus anbietet.

So manche Ergebnisse sind dann auch im ersten Moment etwas irritierend. Wie an dem Morgen, an dem ich mir die halbe Nacht mit einer Freundin um die Ohren schlug, in der wir uns im Chat Links über lustige Produkte zuschickten, und diese fleißig anklickten.

Nun, mir war durchaus bewusst, dass ich nicht die Zielgruppe dieser Dinge war, was mich nicht davon abhält, ab und an die Faszination zu erleben, was andere Menschen so mögen.

Jedenfalls hatte ich auch schon mal am Firmenrechner meine Daten eingegeben. Ob zur Flugbuchung, oder für ein Bahnticket. Irgendwo bestimmt. Jedenfalls mag ich seitdem Firmen, die ihre Mitarbeiter vor zu viel Ablenkung mit Adblockern schützen sehr. Diese tat es nicht. Diese hatte Glaswände um die Büros. Und die Werbung für die Fetischunterwäsche, die wir abends zuvor noch lustig kommentiert hatten poppte in 1/4 Bildschirmgröße auf.

So schnell hatte ich noch nie mit meiner Büromaus das kleine X zum Schließen der Anzeige getroffen.

Und nun? Google wusste, dass ich diese Seite angelkickt hatte, dass ich sogar einige Zeit darauf verbrachte. Aber nicht, dass dies überhaupt nicht meinen Geschmack oder meine Interessen traf.

Aber was ist denn nun die Gefahr, wenn die Interpretationsmöglichkeiten gar nicht so viel hergeben?

Ich denke, die Gefahr ist der Glaube, dass sie es tun würden. Der Glaube daran lässt meine Unbefangenheit verdampfen wie Morgentau in der Sonne.

Werde ich nach der nächtlichen Klickorgie noch mal so unbefangen auf Produkte klicken, die jenseits meiner Erfahrungs- und Vorliebenwelt liegen? Vielleicht erweitere ich ja so meinen Horizont, oder entwickele Verständnis und Empathie für Menschen, die andere Interessen haben als die meinen.

Aber nun denke ich darüber nach, dass jeder Klick, jede Aktion von mir irgendwann zu meinem Nachteil ausgelegt werden könnte. Ich überlege mit jedem Schritt, welche Außenwirklung das haben könnte.

Und hier kommen Erwartungshaltungen in Spiel. Erwartungshaltungen, dass Menschen 100 % gleich oder berechenbar sind, machen die Datensammlungen zu einem Tool, das in manchen Fällen so sinvoll ist, wie ein Presslufthammer im Porzellanladen.

Menschen, die die Arbeitsweise von Berechnungen nicht verstehen, und versuchen ihr Gedankenkonstrukt damit zu rechtfertigen, machen das Ganze böse.

Schlimm sind also nicht die Algorhytmen, sondern der Glaube an ihre Allmächtigkeit.

Ein Beispiel ist Racial Profiling. Was ist das? Dieser Ansatz geht von der Annahme aus, dass gewissen Bevölkerungsgruppen, die willkürlich nach dunkler Hautfarbe oder sozialer Schicht bzw, politischer Grundhaltung zusammengeworfen werden, eine höhere Kriminalitätsrate zu erwarten ist.

Das Ergebnis derartig aufbereiteter Kriminalstatistiken ist die Schrödingers Katze der Gesellschaft: Schaue ich an nur einer Stelle genauer hin, finde ich in der genau untersuchten Zielgruppe mehr Ergebnisse.

Wenn ich untersuche, wie viele Menschen Muttermale haben, und von 1000 Menschen 900 Frauen und 100 Männer begutachte, sind im Gesamtergebnis mehr Frauen mit mehr Muttermalen in meiner Statistik, als Männer. So mancher denkt jetzt: war ja klar.

Wenn aber auf der Straße mehr Menschen mit ''Migrationshintergrund'' kontrolliert werden, was nichts anderes heißt, als Menschen mit dunklerer Hautfarbe, weil man es dem eingewanderten US-Amerikaner oder dem Norweger kaum ansieht, findet man dort natürlich auch häufiger zum Beispiel illegale Drogen oder den fehlenden Fahrschein in der U-Bahn, als bei den nichtkontrollierten Weißen, bei denen nicht mal im Nachhinein ermittelt werden kann, ob bei denen nicht doch eine fehlende deutsche Staatsbürgerschaft negativ bewertet werden könnte.

Und plopp, sind diese Zahlen in der Statistik. Die in dem Zusammenhang zu bewertenden Vergleichszahlen liegen bei 0 oder näher daran. Nicht weil diese überprüft wurden, sondern weil die Zahl angenommen wurde.

Dann kommen die Menschen, denen dieses kleine aber bedeutende Detail an Hintergrundwissen fehlt. Und diese Menschen leiten Aktionen daraus ab. Die häufigste Forderung aus oben genanntem Beispiel war bislang: mehr Kontrolle von Migranten.

Und ich sitze da, lese davon und probe einen Facepalm.

*schneidet ihren Frühstückstast zum quadratischen Tortendiagramm, und stellt fest, dass in den Ecken mehr Käse ist*

So, und jetzt: Kaffeezeit!