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Im Moment sind gerade die Niederlande der Buhmann Europas, weil sie ein wenig zu deutlich Nein gesagt haben.

Die deutsche Bundesregierung rudert leise herum, und überlässt die Entscheidung den Kommunen - um sich wieder einmal dezent heraus zu halten.

Aber wie gehen wir mit diesem Provokateur um, der die Alleinherrschaft (=Diktatur) in seinem türkischen Staat anstrebt?

Zum Einen: Meinungsfreiheit ist ein Bürgerrecht. Kein Recht von Staaten. Ausländische Staatsbedienstete oder gar Staatsoberhäupter im eigenen Land Werbung für eine Diktatur, gegen die Demokratie machen zu lassen, halte ich für arg bedenklich.

Dass die türkische Regierung hier, auf die Stimmen der wahlberechtigten Ausländer angewiesen, alle Mittel ausreizt, ist verständlich. Verständnis bedingt allerdings noch keine Zustimmung.

Jemand, der die Provokation sucht, hat bereits den ersten Schritt in die falsche Richtung getan. Hier denke ich an den Spruch: ein Idiot zieht dich auf sein Niveau herunter, und schlägt dich dort mit Erfahrung. Nichts  anderes stellt die Auslandswerbetour für das türkische Präsidialsystem dar.

Dass die Niederlande am Wochenende recht heftig reagierten, liegt natürlich auch an den bevorstehenden Wahlen am nächsten Mittwoch. Aber das leise Herauswinden wie es zum Beispiel Hamburg geschafft hat, wäre auch auf Dauer eskaliert.

Das ist wie bei dem Gast an der Bar, der vollkommen ignoriert, dass schon vor einer Stunde das Licht abgedunkelt wurde, und die Rausschmeißermusik spielt. Irgendwann bleibt nur noch das unsanfte vor die Tür setzen. Und dann ist es nicht der Wirt, der böse ist. Sondern nur derjenige, der gerade die Aggression auf sich zieht.

Und genau das ist der Punkt, den wir alle von der Art von Machtmenschen und Populisten auseinanderhalten müssen, um unsere demokratischen Systeme zu erhalten oder sogar zu verbessern.

Wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, wo uns Verhandlungen, Verträge und Streitigkeiten hinbringen sollen. Die Türkei will eigentlich gar nicht mehr in die Europäische Union aber nutzt das trotzdem als Druckmittel? Das ist dumm. Noch dümmer ist, sich auf dieses falsche Spiel einzulassen, und so zu tun, als wäre es für die EU das Wichtigste, die Türkei als Beitrittskandidaten nicht zu verlieren.

Natürlich ist es wichtig, diplomatisch zu bleiben, und die Tür nicht für die nächsten 100 Jahre zuzuschlagen. Aber was macht man mit einem Gegenüber, das sich nicht an die Spielregeln hält. Das Unberechenbar immer größere Forderungen aufstellt, damit die Flüchtlinge nicht nach Europa kommen? Alternativ: Wir schaffen das? Nun, ohne die Türkei nicht ohne ein blaues Auge (für die Unerfahrenen: ein blaues Auge ist schmerzhaft und man erlangt es selten gewaltfrei, endet aber in der Regel nicht tödlich oder durch Absaufen - jaja die Flut).

Was wir jetzt auf keinen Fall tun dürfen ist, aufgrund kleiner Uneinigkeiten das Konstrukt Europa wegzuwerfen. Wir sollten die Konflikte jetzt nutzten, die Regeln für das Zusammenleben zu verbessern. Und auch mal dem ein oder anderen Mitglied ein paar Eigenheiten zugestehen. Eine Region kann durchaus mal eigene Interessen haben; anders als zum Beispiel die deutsche Ausländermaut, die wohl kaum noch Gewinne abwirft, hohe Kosten durch Infrastruktur einführt, maximal Investoren nützt, sollten Autobahnen endgültig privatisiert werden, und den Rechspopulisten als "gegen Ausländer" Goodie in die Hände spielt.

Links:

Über den Bürgermeister von Rotterdam

Dänemark lädt den türkischen Ministerpräsidenten aus

Vor wenigen Tagen hat mich eine kurze Radiodurchsage hellwach gemacht. Militärputsch in der Türkei. Brücken gesperrt. Man weiß noch nichts genaues. 

Nachdem ich in den vergangenen Monaten schon oft die Sorgen von Menschen aus meinem Umfeld hörte, die durch Heirat oder Abstammung Verwandte in der Türkei haben, dachte ich nur: ach du Scheiße.  Mein Bauchgefühl sagte mir, dass weder ein Militärputsch, noch ein Rückschlag der türkischen Regierung die Lage verbessern könnte. 

Und dann traten die schlimmsten Befürchtungen ein. 

In kürzester Zeit finden Überlegungen statt, die Todesstrafe für mindestens die Putschisten, wenn nicht gar für alle Sympathisanten, oder gleich alle, die irgendwas gegen die Regierung sagten und somit schon irgendwie dazu gehören, wieder einzuführen.

Zehntaussende Akademiker, Staatsbeamte, Richter werden entlassen, wenn sie nicht als unbedingt staatstreu gelten.

Und ehrlich gesagt - wer würde eine "demokratische" Abstimmung jetzt noch gegen die Meinung Erdogans ankreuzen, wenn er dadurch um das Wohlergehen seiner Familie oder um sein Leben fürchten müsste.  

Aber wie sieht das Ganze denn in Deutschland aus? Aus vielen Mündern höre ich derweil: Wir hier in DE, wir hätten gar keine Demokratie mehr. Die Politik macht doch, was sie will

Und in der Tat, glänzten gewählte Parteien in letzter Zeit nicht gereade dadurch, Wahlversprechen einzuhalten. Es herrscht ein seltsames Selbstverständnis, dass Pesonen sich durch die Wahl zu einer Megakompetenz erhoben fühlen. Vielen Politikern ist gar nicht mehr bewusst, dass sie nicht wegen ihres strahlenden Charakters und ihrer Unfehlbarkeit (ich kichere grad beim Schreiben) wählten, sondern weil sie den Wählern bestimmte Dinge versprachen.

Aber das Ergebnis, wenn Dinge nach der Wahl plötzlich nicht mehr sind, wie vor der Wahl, ist, dass der handelsübliche Wähler resigniert. 

Das bloße Gefühl, nichts mehr ausrichten zu können, genügt mittlerweile. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse erlauben Vielen nicht mehr, sich ausreichend zu informieren. Populismus scheint als bequeme und wirksame Methode, doch noch etwas zu bewegen. Aber wohin? Solange sich die Gebildeten zurücklehnen, und die Verantwortung ablehnen (der Pöbel hätte sich doch informieren können), wird unsere Gesellschaft immer mehr gespallten und die Abschaffung einer Demokratie erfolgte zuerst in schleichenden, kleinen Schritten. 

Ich wünsche mir, dass wieder mehr Menschen laut werden, und sich für ihre Belange einsetzen. Denn nur so können wir die jetztigen Freiheiten wahren. Können uns unbesorgt in der Bar und auf der Straße; oder hier im Internet; über Politiker und Politik mockieren. 

Wisst ihr noch, wie damals die Kumpels im Pott auf die Straße gingen, und gegen die Schließung ihrer Zeche protestierten? Proteste verganger Zeiten haben immer etwas bewirkt. Manchmal Kleingkeiten. Machmal auch nur vorübergehende Pattisituationene, die aber einem passenden Ersatz Zeit gaben, Fuß zu fassen. Aber wenn wir warten, bis die Wut zur Verzweiflung wird, ist Gewalt nicht mehr weit. Und das kann niemand mehr steuern. Regt euch auf, bevor die Büchse der Pandora nicht mehr zu schließen ist, und ihr die Gelassenheit verliert, euch über Sinnhaftigkeit und Hintergründe zu informieren.

Truth - Invertigo