Wie funktioniert Zauberei?
Die Frage kommt immer wieder auf, wenn ich erwähne, dass ich dieses wunderbare Hobby selbst vor vielen Jahren mal betrieben habe.
Und hier kommt schon der Spoiler für den Rest des Beitrages: ich werde hier keinen einzigen Trick erklären.
Das wäre nämlich euch gegenüber unfair. Ich sitze mittlerweile in Varietés und Zaubershows und beobachte das teilweise wie einen Olympiaevent. Ich achte auf die Qualität der Ausführung, und gebe Haltungsnoten. Die Momente, in denen ich wieder in die Zeit davor zurückversetzt wurde, sind die, in denen ein Zauberer einen Trick auf eine andere Art und Weise durchführt, als ich diese kenne. Wenn er die Illusion weiterentwickelt hat, und ich in dem Moment erwarte, aber meine Sinne nicht das bekommen, womit ich gerechnet hatte. Dann bin ich wieder hellwach, überrascht und halt - verzaubert.
Dass es heute in der noch aufgeklärten Welt, in der Wissenschaft einen berechtigten Status hat, noch Zauberer gibt, überrascht im ersten Moment. Im zweiten Moment erfreut es mich.
Denn Zauberei ist der Umgang mit dem Unerwarteten.
Die eine Hälfte eines gelungenen Auftritts ist Überzeugungskraft durch bombensicheres Auftreten. Wenn ein Zauberer euch sagt: ich mache jetzt nichts mit meiner linken Hand - glaubt ihm. Denn er sagt euch die Wahrheit. Und hat eure Aufmerksamkeit auf einen Punkt fixiert. Und weg von allen anderen.
Zauberei zu bewundern, ist die Abkehr von Erwartungen. Von Wissen. Von "told you so" - "Ich hab's euch doch gesagt".
Meinen höchsten Respekt haben Zauberer, die vor Kindern auftreten. Kinder sind noch nicht so gefestigt in ihrem Selbstverständnis der Welt.
Wir kennen die physikalischen Gesetze. Na jedenfalls im Groben. Newton und der Apfel, und dass das verdammte Ding halt fällt wenn man es loslässt. Wenn Kinder anwesend sind, kommt oft ein Moment, der jedem Zauberneuling den Schweiß aus den Poren treibt: Kinder wissen zum Beispiel nicht, dass ein Glas nicht fliegen kann.
"Ich lasse gerade dieses Glas schweben." Wird das Gros eurer Audienz zum Staunen bringen. Ein Kind sitzt mitunter da und sagt "OK, und wann kommt jetzt der versprochene Trick?" Das ist der Moment, in dem ihr nervös werden solltet. Zurecht. Denn hier taucht dann eine Situation auf, die ihr auf eurer Bühne nicht einkalkuliert hattet. Und damit habt ihr mit einem Schlag die Macht über eurer Publikum verloren. Die Macht, die Erwartungen deiner Beobachter zu steuern und im passenden Moment zu verändern.
Das ist auch ein Grund, warum ich die Zauberei noch heute liebe. Sie bringt den Menschen bei, dass eben nicht alles mit dem Erlernten auch gleich erklärbar ist. Dass das eigene vorhandene Wissen ein guter Ansatz ist, aber niemals an einen Punkt kommen solllte, an dem man denkt, nichts mehr dazulernen zu können.
Zauberei bringt den Menschen die Freude, durch eigenes Denken Erklärungen zu finden. Oder eben halt nicht. Zauberei erdet ungemein, was einen Blick auf die eigenen Fähigkeiten angeht. Dann gibt es eben jemand, der ein wenig an Wissen mehr hat, ein wenig überzeugender ist, dass wir uns zurücklehnen können, und uns enspannt verzaubern lassen können.