"Im Real Life" ist mittlerweile ein feststehender Ausdruck für das Leben außerhalb des Internets. In den Nachrichten fallen Formulierungen wie "der Attentäter hat sich im Internet radikalisiert". Begriffe wie Darknet werden in der Aufarbeitung durch den Journalismus nicht ansatzweise verstanden. Müssen wir uns also wichtigeren Themen zuwenden, als der digitalen Welt?
Solche Aussagen zeigen, wie weit sich das Verständnis unserer Realität von den wirklichen Strukturen auseinanderbewegt hat.
Der rechtsfreie Raum Internet ist überraschend stark reguliert und nachvollziehbar. In der Kneipe nebenan sind immer noch keine Namensschilder Pflicht.
Während sich die Heizung vom Smartphone aus einstellen lässt, autonom fahrende Autos mit Vernetzung untereinander in der Entwicklung weit fortgeschritten sind, und der Drucker automatisch rechtzeitig die neue Tintenpatrone bestellt, müssen sich immer weniger Menschen mit der Technik beschäftigen, die sie nutzen.
Es gibt mahnende Stimmen, die darauf hinweisen, dass diese Technologien auch viel über uns verraten, was nicht zum Vorteil der Nutzer führen könnte. Facebook und Google filtern die Ergebnissen mittlerweile so weit vor, dass bestimmte Punkte aus unserem Blickfeld verschwinden. Das Internet bestätigt unsere eigene Meinung und befeuert aber auch so Gruppen, sich in extremere Positionen zu verrennen.
Es ist unglaublich einfach geworden, sich im Internet zu informieren. Während Wikipedia eher als seriöse Quelle zu sehen ist, ist es gleichermaßen einfach, Verschwörungstheorien und vollkommen unwissenschaftliche Lehren zu veröffentlichen, und damit auch gefunden zu werden, wie relevante Informationen zu aktuellen Ereignissen und Wissen dieser Zivilisation zu finden.
Die Vorteile sind somit ebenso vorhanden, wie die Nachteile.
Wie geht es also weiter?
Die sozialen Themen drängen. Aktuelle Themen wie der Umgang mit Flüchtlingen, steigender Anzahl pflegebedürftiger, alter Menschen, Automatisierung der Arbeitswelt drängen den Handlungsbedarf sozusagen auf.
Die Datenflut nimmt zu. Konnte man vor etwas mehr als 20 Jahren gerade mal meine Adresse und Telefonnummer herausfinden, sieht heute eine Vielzahl an Menschen mit wem ich kommuniziere, wo ich mich wann aufhalte. Ob die Menschen, mit denen ich meine Zeit verbringe, Geld haben (das verbessert meine Möglichkeiten für einen Kredit), ob ich die den Flug häufiger anklicke, weil ich mir das überlege (dann bin ich interessiert, und die billigen Angebote verschwinden). Andererseits kann ich mal eben den Fahrplan mit dem Smartphone googeln, die Verspätung meines Zuges auf dem Weg zum Bahnhof sehen, Menschen auf Twitter um Informationen oder Hilfe bitten. Das ist ein enormer Vorteil.
Hat die Vernetzung also nichts mit meinem Leben zu tun? Doch, auf jeden Fall. Mein Einkaufsverhalten wird bewertet. Krankenkassen entwickeln Geschäftsmodelle, Gesundheitsförderung mit Fitnessarmbändern voranzutreiben - und gleichzeitig überlegen die Kassen Risikogruppen (Herzkreislaufkranke) so besser einstufen zu können.
Verkehrsmittel können sich untereinander vernetzten, die Auslastung ermitteln, Fahrpläne aufeinander abstimmen. Es gibt die Möglichkeit, Taxen, Leihfahrräder, CarSharing-Fahrzeuge auf den Bahn- oder Busverkehr abzustimmen. Es gibt auch Überlegungen, von jeder Person Bewegungsdaten zu ermitteln, und zu verkaufen. Eine Katastrophe für den Journalisten, der über seltsame Organisatzonen recherchert. Eine Datenflut für Ermittlungsbehörden, die zu oft den Blick auf das Wesentliche nur verschleiert, statt diesen zu ermöglichen.
Das Internet ist also kein Neuland mehr, kein seltsamer Ort, in dem sich realitätsferne Gestalten zurückziehen und damit eine fast esotherisch anmutende virtuelle Existenz leben. Es ist auch kein Mitteilungswerkzeug für Konzerne, sondern schlichtweg ein Kommunikations- und Arbeitsmittel.
Es gilt also ohne technikfeindlich zu werden, Strutkuren weiter auszubauen, anstelle den Zugang für bestimmte Gruppen einzuschränken. Siehe Stichwort Netzneutralität. Es gilt, den Zusammenhang zu unserem alltäglichen Leben zu erkennen, und diesen zu nutzen. Noch gibt es die Möglichkeit, dass die Menschen, die die Zusammehänge verstehen, auch die Regeln definieren können, die uns betreffen, und dies nicht den Menschen zu überlassen, die Angst vor allem haben, oder meinen, sich durch Lobbyismus
Es gilt, das Auge offenzuhalten, die Alternativen zu finden. Die kleinen Anbieter zu fördern. Neue Ideen zu unterstützen. OpenSource zu fördern, damit nachvollziehbar bleibt, was wir da eigentlicch nuten. Damit wir weiterhin verstehen, welche Möglichkeiten wir haben, und diese auch Allen zu erhalten. Dies ist keinesfalls wirtschaftsfeindlich. Je mehr Unternehmen gezwungen sind, gute Geschäftsmodelle zu entwickeln oder gar Möglichkeiten nach Nutzern und Wettbewerbern auszurichten, desto besser und nachhaltiger sind die Produkte, die daraus entstehen.