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Feindbilder zu kreieren hat in der aktuellen politischen Debatte mittlerweile das größte Gewicht. Sachliche Argumente? Wozu? Die Schnellebigkeit des Internets wird zwar kritisiert. Sobald es aber darum geht, den eigenen Standpunkt zu festigen, wird eine reduzierte Aufmerksamkeit und schnelle Empörung zum Freund.

Der Autofahrer tötet. Allein durch seine Anwesenheit. Der Autofahrer stößt Abgase aus. Oh, ich vergaß. GIFTIGE Abgase. Er parkt auf Radwegen, und tötet Rad- und Fußgänger. Er ist bequem und eigennützig; rücksichtslos und uneinsichtig.

Und wenn der Autofahrer daheim auf sein Fahrrad umsteigt, oder zu Fuß zur Apotheke läuft? Nun, dann wird er zum Radrüpel oder zum Fußgänger, der einfach so die Straße überquert.

Was bringt als purer Hass? Ziemlich wenig, würde ich sagen. Ich merke, dass je mehr Wut dahinter steckt, Lösungsansätze die wirklich helfen in semireligiösen Beschimpfungen versanden. Menschen äußern mit einem Mal Forderungen, die sie selber nicht mehr hinterfragen.

Alle Autos aus den Innenstädten. Was nicht per Lastenrad geliefert werden kann, soll draußen bleiben. Und wie kommt der Umzug in die neue Wohnung? Wie kommt der neue Gefrierschrank in dein Haus? Wie kommt der Herzinfarktpatient ins Krankenhaus? Wie kommt die Feuerwehr zum Brand? Nein, zurück in düstere vormittelalterliche Zeiten wollen wir alle nicht. Ok, die meisten wollen das nicht.

Dabei gibt es aus derartigen Diskussionen durchaus passable Ansätze - die allerdings nicht auf alles funktionieren. Paketdienste überlegen in Großstädten eine Zustellung per Lastenrad. Es gibt einige mehr oder weniger Leihradangebote. Falträder sind in Mode (mein Brompton liegt im Kofferraum oder steht im Gepäckregal vom ICE). Das erspart regelmäßig den Parksuchverkehr.

Heute bin ich wieder mit dem Auto unterwegs. Mein angemacktes Knie schmerzt, und die Strecke, die ich gleich noch fahren muss, schaffe ich nicht per Rad oder ÖPNV. Nicht in angemessener Zeit.

Lokale Läden, Ärzte oder Apotheken müssen zugänglich sein. Ohne 5 x mit dem Auto um den Block zu fahren oder auf dem Radweg zu parken. Arbeitgeber, die Erziehenden nicht gleich eine Abmahnung schreiben, wenn sie deshalb 5 Minuten später kommen, sondern Gleitzeit ermöglichen, werden langsam mehr.

Ohne Politik und ohne Einschränkungen oder Umgewöhnung wird sich auch nichts verbessern. Als Autofahrer gucke ich natürlich skeptisch, wenn eine ganze Fahrspur "weggenommen" wird, um als Fahrradweg wieder in der Infrastruktur aufzutauchen. Im Endeffekt bremst dann aber die Umleitung oder Einspurigkeit der Straße weniger als gedacht. Auch weil mehr Leute das Rad wieder für sich entdecken. Und somit neuer Platz im Konzept Stadt entsteht.

All das funktioniert nicht, wenn wir ineinander nur noch den Feind sehen. Stattdessen aus den Argumenten lernen. Besser ist, zu gucken, was umsetzbar ist. Es wird sich viel verändern müssen. Möglichkeiten für Videokonferenzen oder Zusammenarbeit online statt nebeneinander werden sich etablieren - wenn wir dieses Internet für alle offen halten und Jungunternehmen einen einfachen Einstieg erleichtern. Unternehmen können statt dem Dienstwagen ein Dienst-EBike fördern. Selbst wenn dies nur einen Teil ausmacht, ist die Entwicklung schon gut.

So, heute wurde es wieder ein wenig politisch. Und zwar war ich mal als Gast mit dem ADFC unterwegs.

Der ADFC hat - eine Woche vor der Landtagswahl in NRW - eine politische Sternfahrt nach und in Düsseldorf auf die Beine gestellt.

Es ging darum, die Bedürfnisse für Radfahrer im Straßenverkehr zu thematisieren. Die Sternfahrt war als Demo angemeldet, und so wurden einige Hauptverkehrsadern heute zur autofreien Radfahrstraße.

In Anerkennung meines desolaten Fitnesszustandes probte ich die Anreise ab Dortmund mit dem Regionalexpress, was sich schon ein wenig als Abenteuer erwies. Letztes Wochenende entgleiste in Dortmund ein ICE und beschädigte nennenswerte Teile des Gleises. Wozu die Bahn nichts kann. Was zu einigem Chaos am Bahnhof führte (wozu die Bahn nichts kann), und es nicht ganz so einfach war, herauszufinden, an welchem Gleis nun ein passender Zug fuhr (wozu die Bahn doch was kann). (Einige machten sich tatsächlich mit dem Rad auf den Weg, und fuhren ab Dortmund, Oberhausen, Krefeld, Bergisch Gladbach u. v. m. mit dem Rad).

In Kaiserwerth stieg ich entspannt aus, und gesellte mich zur immer größer werdenden Schaar an Radfahrern, die nach Eintreffen der einzelnen Gruppen langsam Richtung Landtag losrollte. Die Tour ging über angenehm flaches Gelände, so dass ich auch mit dem Faltrad gut und enspannt Schritt halten konnte.

Am Landtag gab es eine kurze, politische Diskussion mit eingen MdLs. Und kurze Zeit später noch zu der großen Rundtour mit allen Gruppen durch Düsseldorf (inklusive der Rheinbrücken und der Rheinunterführung).

Zurück habe ich mir dann ab dem Hauptbahnhof den ICE gegönnt...

Das Thema Fahrrad kam sehr gut bei den Menschen, an denen wir vorbeizogen an. Unmut gab es wenig (Fußgänger: muss das sein? - Ja, das ist 'ne Demo; Autofahrer: wie kann man hier nur so einen Stau... -hey, das schafft ihr sonst auch prima OHNE Radfahrer).

Die meisten freuten sich allein über die Forderung, die Umgebung für Radfahrer zu verbessern. Nur, warum passiert da so wenig?

  1. Es kostet Geld. Davon ist nicht unbegrenzt was da. - Stimmt. Auf der anderen Seite ist der tägliche Arbeitsweg mit dem Rad gut für die Gesundheit (und wenn es nur die Teilstrecke bis zum Zug ist). Infrastruktur, egal ob für Fußgänger, Autofahrer, Bahn oder Rad kostet IMMER Geld. Der Punkt ist, mit dem Geld einen Gegenwert zu erschaffen, der möglichst vielen Menschen zu Gute kommt. Und da sind Radfahrer immerhin eine große Gruppe, die sich mit den anderen sowohl in Nutzungsverhalten als auch in Interessenlage mit den anderen überschneiden. Arbeitgebern kommt es zu Gute, wenn die Mitarbeiter kostengünstig und sicher zur Arbeit kommen können. Den Anwohnern einer Stadt oder Hauptstraße kommt es zu Gute, wenn weniger Abgase und Motorenlärm zur Lebensqualität beitragen. Fußgängern profitieren, wenn Radwege nicht so angelegt sind, dass sie Angst haben müssen, vom nächsten Rad umgewemmst zu werden.
  2. Das Henne-Ei-Problem: Was war zuerst da? Der Bedarf an Fahrradinfrastruktur oder das Angebot? Eine lange Zeit mied ich das Radfahren. Nach einem Unfall nicht wieder aufgestiegen, lebte ich im Stadtzentrum mitten in einem Ballungsgebiet. Da war radeln zwischen den Autos schon mutig. Und die Radwege waren meist zugeparkt oder vollkommen marode. Erst als ich in einer radfreundlicheren Umgebung wohnte, kam wieder ein 2Rad in mein Haus. Da aber heute viele so an den Gedanken gewöhnt sind, das Rad nur noch als Sportgerät zu benutzen, und nicht mehr als Fortbewegungsmittel, liegt auch der Gedanke an eine Investition fern.
  3. Der Blick auf das große Ganze: Was ist 'verbessern'? Da gibt es vieles, was zusammenhängt. Zusammenhängende Routen, die per Rad angenehm und gefahrenarm genutzt werden, und nicht mal eben 5 km neben der zu engen Durchgangsstraße herführen sind ein Thema. Die Möglichkeit, am Zielort auch mal ein Rad sicher abzuschließen oder bewacht unterzustellen auch eines. Viele gewünschte Touren scheitern an der Möglichkeit, das Rad im Zug oder der Straßenbahn zu transportieren (ok, da bin ICH mit dem Faltrad außen vor). Digitalisierung (mit dem Smartphone nachsehen, ob ich das Rad am gewünschten Bahnhof abstellen kann, wann der Zug fährt, ob Zugmitnahme möglich ist. Die Strecke am Zielort planen. Evtl. vor der Dienstreise checken, ob es am Zielbahnhof Mieträder gibt... Das ist alles noch viel zu unübersichtlich, und kann verbessert werden.
  4. Aber die Autofahrer: Ja, auch die sollten wir einplanen. Dabei Entwicklungen im Auge behalten, die das Miteinander verbessern, wenn man es richtig angeht (Carsharing, E-Autos, autonomes Fahren, Ruftaxen, Straßen, die so geplant sind, dass ich am Lenker des Automobiles zum Ziel komme, ohne dass mir ein Fahrrad mit Mensch vor den Kühlergrill springt, und ich, wenn ich auf das Rad wechsele, nicht selber stresserfüllt vor Abgasen und Mobilitätsblech flüchten muss. Wer immer nur das entweder oder sieht, wird blind für Lösungen, die alle im Auge behalten. Vielleicht MUSS ich als Autofahrer gar nicht bis vor die Tür fahren, wenn ich per Park&Ride bequem auf Bus und oder Mietrad umsteigen kann.
  5. Mit den Menschen reden: Heute hat der ADFC eine Menge an Aufmerksamkeit eingefordert. Hier sollte es aber nicht enden. Fragt die Menschen, wie sie sich ihr Dorf, ihre Innenstadt wünschen. Die Politik ist heute so sehr gewohnt, einfach den Bürgern etwas vorzusetzen, was dann bitteschön angenommen wird, dass das ganze Potential von Ideen und Wissen der Menschen brach liegt. Lasst die Menschen doch einfach mal mehr diskutieren und mitbestimmen. Dann freunden sie sich (mit den dann selbstverursachten Lösungen) besser an, und kommen vielleicht auf ganz neue Ideen.

 

Als Kind hatte ich eines. Wir waren nie Freunde. Der erste Bodenkontakt ließ die Stimmung weiter sinken.

Dann hatte ich ein großes Fahrrad. Bin mit der Familie zum Volksradfahren (das war total in).

Dann musste ich mir auf einer Klassenfahrt eines ausleihen. Das Ding war in einem so schlechten Zustand, dass ständig Gänge heraussprangen. Damit dann den Berg so schnell herunter zu fahren, war ein Fehler. Ein Fehler, dass ich auch den klapprigen Bremsen nicht vertrauen wollte.

Jedenfalls krachte plötzlich etwas gewaltig. Das nächste was ich bemerkte, waren explodierende, bunte Lichter vor meinem inneren Auge, als ich zu Boden ging. Das plötzlich mitdrehende Pedal hatte meine Oberfußknochen mit kurzem Schlag gebrochen. Der Autofahrer konnte noch ausweichen, und ich rappelte mich wieder auf.

Dem folgte eine extrem lange Zeit, in der ich kein Fahrrad wollte.

Zwischendurch kaufte mich mir mal wieder eines. Aber ein ganz billiges. Es war schwer, es war häßlich, unhandlich. Ich kam mit dem Fuß nicht auf die Erde und fühlte mich darauf unsicher und unwohl.

Für den Smart war es auch eher unpraktikabel. Die Bahn nimmt Fahrräder nur außerhalb der Stoßzeiten mit.

"Kauf Dir doch ein Brompton". OK, sieht geil aus. Aber der Preis- bwahahaha.

Zwischendurch liebäugelte ich mit einem Trike - ein 3rädriges Liegerrad von Hase. Noch viel teuerer. Keine ernstzunehmende Transportmöglichkeit. Für gelegentliche, weite Strecken. Hm.

So bin ich das Brompton doch mal probegefahren. Erstaunlich Fahrstabil für die kleinen Räder. Die Federung ist sehr gut.

Das bestellte Rad kam schneller als ich dachte (und als angekündigt).

Für die sonstigen Veranstaltungen zu spät dran, zog ich also noch kurz vor Toresschluss in die Dortmunder Innenstadt und konnte mein Rädchen übernehmen.

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Der Dauerregen hatte ein Einsehen, und machte eine Pause. Also schnell das Rad auseinander geklappt. Es war auch gar nicht so schwer, sich den Klappmechanismus zu merken. Und das Rad stand fertig vor mir.

Also mal eben durch das Viertel. So 4 km hatte ich mir vorgenommen. Die superleichte Regenjacke hatte ich dann doch mitgenommen. Hält zwar kaum was ab, aber für die paar Minuten.

Ohne also wirklich auf die Straßennamen zu achten, trampelte ich mich dann also durch die kleinen Seitenstraßen, die mit dem Auto mißachtet werden.

Und irgendwie kannte ich die Gegend dann doch nicht mehr so gut. Mal kurz das Smartphone aus der wasserdichten Tasche befreit, sagte mir Google Maps, dass ich doch mal locker 8 km wieder heim durfte. Oups.

OK, für den Rest der Strecke wies mich eine vorwurfsvolle Computerstimme darauf hin, wo ich denn bitte lang zu fahren hatte. Google Maps kann man mittlerweile auch auf Fahrrad einstellen. Funktioniert. Hallo NSA, BND und wer sonst noch.

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Dann meinte der Regen "OK, so hab ich das jetzt nicht gedacht" und legte wieder los, das Aufgeschobene mal eben hinterher werfend.

Grummel also noch nach ein paar Minuten nass bis auf die Knochen.

Absteigen - Schuh zumachen. Das war keine gute Idee. Danach war der Sattel auch noch ein wenig feucht.

Und dann ging es ab auf den Feldweg. Wie gesagt - die Fahrradeinstellung fürs Navi funktionierte, und wies auch für Autos ungeeignete Wege aus. Etwas skeptisch guckte ich noch mal nach doch ein wenig mehr befestigten Wegen und war etwas besorgt, mein neues Rad gleich so durch den Schlamm zu ziehen. Half nix. Kommt Zeit, kommt Putzlappen.

Mit den kleinen Räder kann man auch recht gut kleinen Schlaglöchern und großen Weinbergschnecken ausweichen. Ich lobte mich für den Gedanken, Schutzbleche bestellt zu haben.

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Und nun ist das Rad trocken geputzt und ich freue mich auf die nächste Tour.