Meist fängt es mit so einem harmlosen, kleinen Gedanken an: Wir können die Welt verbessern. Dinge, die nicht nur mir, sondern auch anderen Menschen weh tun. Bei denen mein Wissen und mein Bauchgefühl mir sagen, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Dass es allen Menschen (oder zumindest sehr vielen oder vielleicht auch nur meiner Kontaktgruppe) besser gehen könnte. Wenn wir nur ... Ja was übrhaupt.
Hier wäre also der erste Schritt getan. Es gibt eine hübsche Theorie. Und dann?
Der wissenschaftliche Weg an dieser Stelle wäre:
- Erstmal nach Beweisen für meine Theorie suchen. Wo ist diese Verbesserung schon versucht worden; wer hatte damit Erfolg und haben sich die gewünschten Ergebnisse eingestellt?
- Sandkastenumgebungen suchen und austesten. Erstmal für eine kleinere Gruppe austesten, welche Auswirkungen die Umsetzung der Idee hat, und ob die theoretisch wirksamen auch die praxistauglichen Methoden sind.
Der menschliche Weg an dieser Stelle ist:
- Eine Gruppe legt eine unglaubliche Emotionalität in das Thema. Beschäftigt sich mit nichts anderem mehr. Glaubt überzeugend wirkenden Heilsbringern und verurteilt lautstark jeden, der Zweifel äußert oder gegen das Ziel oder auch nur gegen die vorgeschlagene Methode der Umsetzung äußert.
... und schießt sich damit selbst ins Knie. Die Grundidee mag gut sein, aber ohne Konzept, Bildung und gut recherchierte Argumente erzielt eine so uunausgereifte Kampagne eine gegenteilige Wirkung.
Angriffe werden persönlich, Streitgespräche auf eine Metaebene gezogen, auf der es nicht mehr um das Thema an sich, oder eine Lösung geht, sondern um Symbole, um Sprachgebrauch, und um Bewertung, wie böse das Gegenüber eigentlich ist.
Ich spiele das mal an de Beispiel Vegetarier durch:
Die Südeutsche Zeitung brachte einen recht kontroversen Artikel zu diesem Thema: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/584509/Vegetarier-sind-auch-Moerder Der Streit zwischen Vegetariern, der extremeren Gruppe der Veganer und zwischen Fleischessern nimmt teilweise skurrile bis religiöse Formen an. Längst haben die Argumente eine Ebene verlassen, an der es für Neugierige überhaupt schwer ist, sich unbefangene Informationen zu beschaffen. Sich zu überlegen, wie man sein Leben selbst gestalten möchte, ohne sich gleich auf eine Seite der Fronten und damit ins direkte Schussfeuer von Fanatikern zu begeben.
Gehe ich mal von meinen Voraussetzungen aus: Ich versuche mich gesund und ökologisch sinnvoll zu ernähren. Ich merke, wie groß der qualitative Unterschied zwischen industriell hergestellten Massenprodukten (sowohl Tier- als auch Pflanzenprodukte) sind, und wie viele chemische Zusatzstoffe enthalten sind, von denen ich nicht wirklich einsehe sie zu essen. Kann man doch mit gut produzierter Nahrung auch besser ohne auskommen und die Erfahrungswerte auf die allgemeine Gesundheit sind auch eher dürftig. Nach dem, was ich bislang herausgefunden habe, ist es günstiger, Fleisch nicht als Hauptnahrungsmittel zu behandeln. Und Fleisch von Tieren, die zu Lebzeiten anständig behandelt wurden, ist qualitativ wesentlich hochwertiger, als
Also habe ich für mich irgendwann einmal eine Entscheidung getroffen, die häufig mein Konsumverhalten beeinflusst.
Was passiert aber, wenn Menschen in meiner Umgebung auf dieses Thema kommen? Ich suche nach vegetarischen Rezepten (weil zu viel Fleisch ungesund ist; weil ich auf billiges Supermarktfleisch verzichten will und weil mir richtig gutes Bio-Fleisch von glücklichen (jedenfalls zu Lebzeiten) Viechern schlichweg zu teuer ist). "Ich finde es jetzt toll, dass auch Du jetzt ganz auf Fleisch verzichten willst". - Nein, das will ich doch gar nicht. Spätestens darauf fallen dann die Antworten verschnupft bis irritiert aus. "Aber die armen Tiere" "Du Mörder".
Da kommt also viel Emotionales und wenig Fundiertes. Und wenn ich dann nachhake, kommen maximal noch die Hörensagen-Argumente und urbane Mythen. Auch wenn es tatsächliche Beweise und Gegebeweise für oder gegen Theorien gibt.
Und dann legt euch noch eine Laktoseintoleranz zu und sucht nach veganen Rezepten. Episch war der Vortrag über die Ausbeutung von Bienenvölkern (denen es nach Aussagen von Imkern mit Honigersatznahrung - sprich: Zucker - im Winter keinesfalls schlechter geht, als mit ihrem selbst gesammelten Vorräten, weil im Honig mehr Ballaststoffe (Pollen und Zeugs) sind, und Bienen im Winter nicht zum Kacken vor die Tür können. Ist zu kalt. Das verstehe ich.).
Ich sage euch Grund-satz-dis-kussionen ...
Kurz vor dem Herzkasper.
Ich hatte Angst um meine Gesprächspartner, dass diese im nächsten Moment vor Aufregung kollabieren.
Jedenfalls bringen diese aufgeregten Wortschlachten rein gar nichts. Höchstens, dass sich Menschen nicht weiter mit dem Thema beschäftigen, weil die, die es tun, so emotional sind, dass man besser erstmal Abstand gewinnt. Jedenfalls hänge ich zu sehr an meiner geistigen und körperlichen Gesundheit, um jede Kontroverse zu suchen. Oder dass sich Gruppen so entzweien, dass gegenseitiger Hass zum Selbstzweck wird.
Das macht die Welt nicht besser, ändert keine doofen Gesetze, schafft keinen Konsum für die besseren Produkte oder reduziert schädliches Verhalten (gegen sich oder die Umwelt).
Gar nix. Das Einzige was hilft, ist Vernunft, Beharrlichkeit und Bildung. Auch ich lerne immer wieder neues dazu. Ich suche Gespräche mit durchaus kontroversen Gesprächspartnern. Aber mit denen, die sachlich bleiben. Ich mache mir Gedanken, auf welcher Ebene das Zusammenleben zu ändern ist. Politisch, privat. Und das ist der steinige Weg. Reparatur des Seins mit Werkeug, Erfahrung und Geschick. Nicht mit dem Hammer kaputt schlagen, was eh schon schwächelt.
Und immer wieder einen Schritt zurück gehen, damit der Blick frei wird. Wohin will ich eigentlich?