Author Archives: Bugspriet

Freu Dich nicht zu früh. Warte erst mal ab, ob das nicht vielleicht doch noch alles ganz fürchterlich wird. Das hab ich in den letzten Tagen so oft gehört. 

Was für ein Unsinn. Ich freue mich über die Dinge, wie sie grad sind, und wenn es mies wird, dann ärgere ich mich später. Dann hatte ich wenigstens eine Zeitlang Spaß. 

Ätsch, all ihr Miesmuffel da draußen!

  

Im Moment passiert viel in der Welt und in der Gesellschaft. Während Staaten in Krieg, Bürgerkrieg und Chaos versinken, erreichen uns in den letzten Tagen viele Flüchtlinge. Und einige Menschen zeigen inzwischen offen ein Gesicht, das fast unerträglich ist.

Facebook geriet in der letzten Zeit in Kritik, dass es zwar ''Nippelbilder'', sprich Bilder von nackten Brüsten zensierte, nicht aber Hassreden, sowie klare Beispiele von Volksverhetzung oder Aufrufen zu Straftaten.

Aber was macht man mit der Bandbreite an Menschen, die von populistischen menschen- und gesellschaftfeindlichen Äußerungen über rassistische und beleidigende Kommentare hin zu offenem rechtsradikalen Gedankengut von sich geben?

Immer häufiger lese und höre ich davon, dass diese Menschen doch ihren Arbeitgebern gemeldet werden sollten, damit diese ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen, und wenigstens solche Mitarbeiter kündigen.

Dieser Ruf nach dem großen Bruder mit dem starken Arm erfüllt mich mit einem gewissen Gruseln.

Strafbar oder nur Scheiße?

Zum Einen sollten wir uns im Klaren sein, dass nicht alles, was moralisch daneben ist, einen katastrophalen Zustand der Sozialkompetenz offenbart, auch strafbar ist.

Es gibt Fehlverhalten, mit denen wir uns als Gesellschaft selbst auseinander setzen können. Der Staat ist dazu da, dort einzugreifen, in dem Einzelne sich nicht mehr schützen können, oder wo ein Klima entsteht, in dem das generell der Fall ist.

Ich habe zum Beispiel die Freiheit, eine Beleidigung anzuzeigen, oder einfach zu ignorieren. Ich kann entscheiden, ob ich die derbe Sprache aufgreife, oder ob das so schlimm ist, dass ich eine übergeordnete Instanz einschreiten lasse. Ein Mord wird immer vom Staat geahndet, selbst wenn sich für den Toten niemand interessiert.

Aber diese Dinge, die nicht strafbar sind; die will ich nicht!

Ja, es gibt unerträgliche Menschen. Es gibt Menschen, die sich so benehmen, dass niemand ihre Gesellschaft will. Und es gibt Menschen, die Äußerungen treffen, die in mir jeden Funken an Verachtung und Ekel so hochkochen lassen, dass ich ihnen am liebsten auf die Füße kotzen würde. Und dann kommt die kleine Stimme des Unterbewusstseins auf dem Off: "sowas gehört doch verboten". Weil es Schadet, weil es Menschen weh tut, weil es mir weh tut.

Demokratie 

Wollen wir uns vor der Verantwortung drücken? In einer Demokratie gehen Macht und Regierung vom Volke aus. Das heißt nicht, dass jegliche Aktion oder Gesetzgebung frei von Fehlern ist. Eine Gesellschaft, in der alles reglementiert ist, und Abweichungen nicht mehr zugelassen werden, ist dazu verdammt zu erstarren. Eine Weiterentwicklung ist nicht möglich.

Je flexibler und selbstregulierender eine Gesellschaft allerdings ist, desto stabiler bleibt sie und flexibler reagiert sie auf äußere Einflüsse, auf Fehlverhalten oder unerwartete Entwicklungen.

Seht euch die ersten Hilfswellen für die Flüchtlinge an. Es war nicht reguliert. Es war nicht geplant. Menschen machten da auch Fehler, und hatten keine Vorgaben. Aber sie waren sich einig und waren damit effektiv.

Legislative, Exekutive und Judikative

Die Gewaltenteilung ist einer der Stützpfeiler unserer Demokratie. Diese Gewalten werden durch den Staat ausgeführt. Auch wenn es hier in der Durchführung oft hapert, ist die Grundidee, dass Vorgaben für diese staatlichen Stellen durch das Volk mit Hilfe von Wahlen und Mitbestimmung gemacht werden, nicht falsch.

Der Ruf, diese Elemente auf private Unternehmen zu übertragen, ist ein Spiel mit dem Feuer, das eine Demokratie nicht überleben kann. Wer entscheidet dann noch, was moralisch richtig ist, und bestehen darf? Was damit passieren kann, zeigen Beispiele, wie die Geschichte von Wikileaks. Ohne dass ein strafbares Handeln festgestellt wurde, wurden Firmen wie Visa und Paypal verpflichtet, für Wikileaks keinen Finanzverkehr mehr durchzuführen. Es gab also empfindliche Strafen, ohne dass jemals ein öffentlicher Prozess stattfand, der die Rechtmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit festgestellt hätte.

Wie soll ein Unternehmen, mit wenigen Entscheidern also reagieren? Auf eine Einzelanfrage aus der Politik? Auf einen kollektiven Shitstorm auf einem Medium? Aus eigener Überzeugung? Dann kann sich aber niemand mehr sicher sein, ob sein Verhalten gerade toleriert wird. Nichts muss mehr überprüft werden. Und kein Fehler darf je mehr verziehen werden.

Wenn wir derartige Strukturen zulassen, ja sogar fördern, dann ist es nur noch eine Frage der Macht, wer die Strukturen dann kontrolliert, und damit entscheidet, was richtig ist. Das wäre das Ende der Demokratie. Wollen wir das Recht des Stärkeren als moralische Instanz?

"Willst du das dein Therapeut, deine Altenpflegerin, dein Arzt, dein Anwalt, deine Krankenschwester Rassistisch ist?"

Nein, ich will das nicht. Aber das habe ich nicht für andere Menschen zu entscheiden. Auch wenn mir der Gedanke zuwider ist. Wenn ich das verhindern wollte, müsste ich jeden Menschen  in seinen privatesten Äußerungen durchleuchten. Totale Überwachung wäre alternativlos. Vorratsdatenspeicherung ein Muss. Wenn Menschen in ihrem Job ihren Arbeitgeber missbrauchen, um ihre Ideologien durchzuprügeln - noch schlimmer - zum Nachteil Anderer ist dies zu Recht ein Kündigungsgrund. Wenn ein Angestellter mich als Kunden missbraucht, indem er seine verachtenswerten Ansichten kund tut, lehne ich ab, mich von ihm bedienen/behandeln zu lassen.

''Glaube, familiäre Werte, Sexualpraktiken sind eine Sache, Gruppenspezifischer Menschenhass eine ganz andere - der schadet direkt.''

Nun, hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Ersteres beschreibt, wie ein individueller Mensch sein Leben lebt. Welche Ideen und Überzeugungen er in sich trägt. Das Andere beschreibt einen assozialen Charakter. Der Zusatz "der schadet direkt" weist darauf hin, dass dieser im beschriebenen Fall auch ausgelebt wird.

Darf ein Mensch sich ändern? Darf er dazu lernen? 

Und noch so ein kitzeliges Thema? Mit Nazis reden? Wuah. Das hört sich nach flauschigem Kaffeekränzchen mit Tee an, und verständnisvollem Kopfnicken. Eh. Nein. HIer empfehle ich für Situationen, in denen Ausweichen schwierig ist, höchstens das Buch "Wie man mit Fundamentalisten argumentiert, ohne den Verstand zu verlieren". 

Nicht, um diesem Gewäsch ein Podium zu bieten. Nicht, außer als verbaler Sparringspartner.

Aber was ist mit dem Grenzwertigen? Ich rede nicht von dem pöbelnden Pegida-Mob oder Neonazi-Märschen müt übelster Hasspropaganda. Ich rede von der gesellschaftlichen Mitte. Die Überlegungen äußert, die von sozialer Kälte, Empathielosigkeit und Hass durchsetzt sind.

Ist ein Mensch noch ein Nazi oder rechtsradikal, wenn er nach einer kurzen Entgleisung erkannt hat, dass er einen Fehler begangen hat. Der sich geändert hat. Der vielleicht nur eine sehr dumme Äußerung getätigt hat, über Flüchtlinge, über Ausländer oder Migranten, und sich davon distanzieren will, wenn er darüber nachgedacht hat? Natürlich darf man diesen Menschen fühlen lassen, dass das mies war. Aber lebenslange Ächtung? Hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit wieder.

die eigenen Rechte

Oha, was kommt jetzt? Poche ich als weiße, privilegierte, heteresexuelle … eh … Frau (irgendwas ist ja immer) etwa noch auf meine Rechte? Ja, das tue ich. Auch ich habe das Recht, eine Demokratie zu fordern, eine offene Gesellschaft zu fordern. Ich habe das Recht, Freunde mit jedweder Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Herkunft zu haben. Ich habe das Recht, mit diesen Menschen zu arbeiten, zu kommunizieren, zu feiern und vieles mehr. Ich habe das Recht, anderen Menschen zu sagen, dass ich sie oder ihre Äußerungen Scheiße finde. Ich habe das Recht, jemanden, der andere Menschen rassistisch beleidigt meines Hauses/meiner Wohnung zu verweisen. Ich habe das Recht, auf die Straße zu gehen, und für die Interessen von mir oder anderen Menschen zu demonstrieren; dort laut zu sein, und dort Andere zu stören.

"Aus großer Macht folgt große Verantwortung"

Zurück zur Demokratie. Alle Macht geht vom Volke aus. Diese Macht gibt uns - uns heißt in diesem Fall jedem Einzelnen - die Verantwortung, für einen menschenwürdigen Umgang mit jedem in dieser Gesellschaft zu sorgen. Das beinhaltet die Versorgung von Bedürftigen. Das beinhaltet auch verhältnismäßigen Umgang mit Verstößen gegen diese gesellschaftliche Ordnung. Meine Verantwortung liegt auch darin, dass ich Menschen in meiner Umgebung schütze, indem ich für sie einstehe; indem ich mich selbstbewusst äußere, wenn sie durch Idioten angegriffen werden. Dies betrifft eben diese Grenzbereiche, die noch nicht in eine Strafbarkeit ausufern. Die Verantwortung für andere Menschen liegt aber auch darin, sich nicht in Sicherheitssystemen einzumummeln, sondern mit wachem Verstand zu überdenken, und zu fordern, was zu einer offenen Gesellschaft führt. Ohne einen Albtraum für Freiheit, Kreativität und Individualität zu erschaffen.

 

Weiterführende Links:

http://www.vice.com/de/read/ich-bin-gegen-blockwarte-im-internet-udo-vetter-432

http://m.tagesspiegel.de/politik/facebook-die-moral-der-anderen/12307258.html?

 

 

Irgendwas läuft in diesem Staat falsch. Das höre ich immer wieder. Das höre ich auch von Bewohnern anderer Länder. Aber was ist denn nun genau das Problem der Politik?

Was am häufigsten bemängelt wird: Politikverdrossenheit

Aber ist das ein verursachendes Problem, das sich auf die Inhalte auswirkt, oder ist das eher umgekehrt. Diese Diskussion wirkt, wie die Henne/Ei-Diskussion. Politik findet derzeit in immer größerer Entfernung vom Wählerauftrag statt. Die moderne Politik hat noch keine Tools geschaffen, um sich mit in der Regierungsperiode plötzlich auftretenden Sachverhalten mit der Bevölkerung abzustimmen.

Oft gibt es zwar in den Parteien eine allgemein abgestimmte Richtung, die aber entweder aus taktischen Gründen immer wieder komplett ignoriert wird, oder die die tatsächlichen Sachverhalte nicht in wichtigen Details abdeckt. Oder die Rahmenbedingungen ändern sich; dann fühlen sich Parteien auf die einmal eingestimmte Richtung festgelegt. Was nicht immer im Sinne der Bevölkerung ist.

Was ich immer wieder beobachte: Komplexität

Viele Themen sind nicht mit einfachen, vordergründigen Lösungen zu bedienen. Erinnert euch damals an Ursula von der Leyens Stoppschilder für Seiten auf denen dokumentierter Kindesmissbrauch angeboten wurde (den Begriff Kinderpornos mag ich nicht, da Pornos legal sind). Diese "Stoppschilder" wären kinderleicht zu umgehen gewesen, und entsprechende Täter/Anbieter hätten ihr Tun um so besser verschleiern können. Im Endeffekt hätte das die Verfolgung durch Behörden noch eingeschränkt.  Also bleibt hier die aufwändigere Lösung, sich mit diversen Staaten abzustimmen (ja, das Internet ist international oder kaputt). Außerdem ändern sich auch technische Voraussetzungen häufig durch Innovationen schneller, als die Gesetzgebung hinterher kommt.

Auch wissenschaftliche Erkenntnisse können sich ändern. Stetiges Dazulernen ist auch ein Prozess, der sich nur langsam in unseren Gesetzen, Bestimmungen und Moralvorstellungen durchsetzt.

Bei komplexen Themen gibt es kein Schwarz/Weiß. Ich zitiere ja hier gern "For every problem, there is one solution, which is simple, neat and wrong." Manchmal ist es einfach nur die Wahl zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Lösung.

Manches Vorgehen bringt wieder neue Nachteile mit sich, so dass die Politik zwischen Teufel und Belzebub wählen kann. Für manche Themen müssen wir IMMER Geld ausgeben; hier ist es nur interessant, was am Nachhaltigsten für alle ist (brauchen wir das noch, oder kann das weg?).

Politik entscheidet sich häufig, obwohl befragte Experten etwas anderes empfehlen, für die vordergründige "Lösung", weil Politiker befürchten, den Wähler mit den Fakten zu überfordern. Das geschieht dann klar zum Nachteil des Wählers. Oft ist es aber auch so, dass Politiker schlicht mit dem Hintergrundwissen überfordert sind, denn ein Fachmann auf jedem Gebiet zu sein, ist schlichtweg unmöglich.

Blame it on the Wähler: Bildung

Aber die Menschen auf der Straße verstehen das nicht. Hier wird das Bildungssystem als erster Beschuldigter aufgeführt. Aber wann ist Mensch gebildet genug, ein Thema zu bewerten? Woher kommen die Informationen. Eltern? Müssen auch erstmal alles gelernt haben. Schule? Muss in wenigen Jahren eine unglaubliche Menge an Wissen in die Schüler hinein bekommen. Ein Großteil davon ist das, was die heutigen Anforderungen an einen Arbeitsplatz ausmachen. Das hilft jetzt nicht unbedingt, allgemeinpolitische Themen zu bewerten.

Die werte Presse ist eine weitere Quelle für Informationen. Qualitätsjournalismus erfordert aber auch Investitionen. In das Medium, in die Journalisten, die diese Informationen zusammentragen. Und in Zeit und Geld durch den Konsumenten.

Wer, mit Familie und Vollzeitjob hat denn die Zeit, sich qualifiziert durch alle Themen hindurch zu wühlen?

Was ist, wenn die Presse ein Thema eine Zeit lang stiefmütterlich behandelt, und das Thema plötzlich ganz akut wird. Wie zum Beispiel der Umgang mit Geflohenen, die derzeit in Massen im Mittelmeer ertrinken oder auf der Flucht anderes Elend erleben. Das Verständnis für die Schicksale erschließt sich uns Mitteleuropäern doch erst, wenn wir mal Einzelbeispiele gesehen(gelesen) haben; wenn die Menschen für uns ein Gesicht bekommen.  Solange nur von Massen, von Flutwellen an Menschen gesprochen wird, wächst beim flüchtigen Lesen nur ein beunruhigtes Bauchgefühl, ohne Bewertungsmöglichkeit für die eigene Moral. Das ist dann genau das, wo die "besorgten Bürger" stecken geblieben sind, die hysterisch ein Zurück in das zerbombte Heimatland fordern. Einseitige Berichterstattung ist Eines, aber Vielfalt braucht Platz, Geld und Energie. Für alle.

Die Lösung

Ätsch. Hab ich jetzt auch nicht. Außer der Erkenntnis, dass gute Lösungen anstrengend sind. Offenheit und viel Beschäftigung mit der Materie brauchen. Es gibt Lösungsansätze; es gibt Ideen, die so nicht praktikabel waren.

Aufgeben?

Nein, und nochmals nein. Mal als Beispiel: im Mercedes-Museum waren diverse Ideen an sehr alten Autos abgebildet. Cabrioverdecke, Ideen für den Motor, die damals mangels anderer Erfindungen nicht umgesetzt werden konnten. Die moderne Technik haben wir heute nur, weil diese Ideen nicht in Schubladen verrotteten, sondern immer wieder neu zusammengesetzt wurden, bis etwas funktionierte. Weil Menschen immer wieder die Weitsicht hatten, das Ziel im Auge zu behalten, und andere Lösungen zuließen, oder auch mal von Sackgassen abließen und einen anderen Weg probierten.

Ich hoffe, dass wir ein Klima schaffen können, in dem wir weiter die Treppen für anderer Leute Luftschlösser bauen können.

 

So nach über 20 Jahren darf ich das glaube ich mal erzählen.

Als ich damals meine Banklehre fertig hatte, arbeitete ich ein Jahr lang als "Springer". Ich arbeitete in den Zweigstellen, in denen gerade Not am Mann war. Mal an einem Platz, um einen kranken Kollegen zu ersetzen, mal mit ein paar Springern, um eine Zweigstelle nach einem Überfall wieder zu eröffnen.

Unterschätzt das nicht. Wenn euch mal eine Waffe von einem Typen unter die Nase gehalten wurde, der vor Nervosität fast durchdreht, und offenbar noch nie in seinem Leben eine Schusswaffe bedient hat, sind die eigenen Nerven erst mal einige Tage lang Müsli.

Und vergesst die Bilder von dem professionellen Bankraub, der von ruhigen, besonnenen Tätern durchgeführt wird, die das Geld erbeuten und dann nach spektakulärer Flucht entkommen.

So läuft das nicht.

Bankraub hat die höchste Aufklärungsquote bei den Verbrechen. Damals waren das über 70 % direkt nach der Tat und über 90 % mehrere Jahre nach der Tat.

Die erbeuteten Summen reichen oft nicht lang. Die Aufmerksamkeit und die Alarmsysteme werden immer weiter ausgereift.

Meist sind das also Menschen, denen spontan nichts anderes mehr einfällt, um an Geld zu kommen; die keine Vorstellungen davon haben, was reich ist, und die sich für diese Aktion erstmal eine Waffe anschaffen. Und die im Grunde genommen von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.

Dann kommt also ein Typ in die Filiale, der schlecht geschlafen hat und mit jeder anderen Reaktion als der, die er in Gedanken durchgespielt hat, überfordert ist. Außerdem überfordern die menschlichen Reaktionen. Plötzlich stehen da Angestellte gegenüber, die echte Angst haben. Und Menschen mit Angst verhalten sich unberechenbar.

So ein Überfall hat also in der Filiale, in die ich als Springer gerufen wurde, gerade stattgefunden.

Ich wurde am Schalter eingesetzt, die Kollegin in der Kasse wollte unbedingt weiter arbeiten. Sie stand kurz vor der Pension und meinte, das zu schaffen, obwohl ihr die Waffe bei dem Überfall vorgehalten wurde.

Später am Nachmittag (herbstliches Schietwetter) - es war relativ leer -  kam ein Kunde schnellen Schrittes direkt auf die Kasse zu. Den Kragen der Jacke hoch ins Gesicht geschlagen und die Kappe tief in die Stirn gezogen.

Ich sah mich, da neu in der Filiale, nervös nach meinem Kollegen um, der aber schon signalisierte, alarmbereit zu sein. Wenig später kam auch OK, den kenne ich. Alles klar. Wieder Kopf runter zu meinen zu sortierenden Belegen.

Und dann gellte es durch den Raum "WENN … SIE … DAS … NOCHMAL…"

Kennt ihr noch diese wirklich alten Bankkassen. Mit dem Panzerglas und dem kleinen Loch darin zum Sprechen und unten dem Schlitz, das Geld hindurch zu reichen?

So eine war das noch.

Und der Kunde hing jetzt - den überwiegenden Teil des Kragens von der Kassiererin durch das Sprachloch gezogen - mit dem Gesicht an eben dieser Scheibe.

Oups. Während ich mit meinem Kollegen auf den Kunden zu rannten, ging die zweite Kassiererin, die grad aus der Pause zurück gekommen war, von hinten in die Kasse, um sich um die Kollegin zu kümmern. Und wir zogen die beiden erstmal auseinander. Unsere Kassiererin weinte hemmungslos. Der Kunde stammelte "Aber das war ein Scherz. Das war doch nur ein Scherz."

Ich bugsierte ihn mit dem Kollegen auf einen Stuhl im Nebenzimmer "Ehm. Was auch immer Sie da gesagt haben, wir wurden heute morgen überfallen". "Ach du je". Ich holte dem Kunden erstmal einen Beruhigungskaffee, und mein Kollege kümmerte sich weiter um den Herrn. Da hatte er mit seinem hochgeklappten Kragen einfach seine Unterlagen hingelegt, da er die Kassiererin gut kannte, und meinte, dass sie ihn schon wahrgenommen hätte, murmelte er "das ist ein Überfall". Ach so. Das ist, wenn man abgelenkt war, und das Gesicht nicht sofort erkennen konnte, natürlich mal gekonnt der so richtig falsche Text.

Aber das macht er wohl nie wieder.

 

 

 

"It is lonely in the saddle since the horse has died."Überholtes aus vergangenen Zeiten.

Dass ein Mann einer Frau die Tür aufhält, kommt aus einer Zeit, in der Frauen bodenlange Röcke mit vielen wollenen Unterröcken trugen, und Türen noch ernst gemeinte Türschwellen hatten.

Die Frau musste also damals mit einer Hand die Röcke raffen, um nicht zu stolpern. Heute, mit weitgehend angeglichener Mode, macht so eine starre Höflichkeitsregel keinen Sinn mehr.

Hier reicht also schlichte Aufmerksamkeit, dem Menschen hinter mir nicht die Tür vor der Nase zuzuschlagen, oder die Tür für die zu öffnen, die grad die Hände voll haben.