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Tja, das ist in diesem Land nicht so einfach. Ich bin mir im Moment nicht sicher, ob es den Begriff ''Stammtischgespräche'' auch in anderen Sprachen gibt. Aber das ist so typisch. In der Kneipe können sich die Menschen aufregen, abreagieren, ihre Meinung festigen, und dann am nächsten Morgen wieder brav zur Arbeit gehen und so weiter machen wie jeden Tag.

So läuft fast jede Empörungswelle auf Twitter, fast jeder Shitstorm auf einer Mailingliste der Piratenpartei, in jedem Forum. Und dann? Ja die Politik tut sowieso, was sie will. Deshalb sind auch bei der Bundestagswahl so viele Menschen einfach nicht hingengangen. Außer vielen Alten, die zur Wahl gingen, weil man das eben so tut. Weil man ja schon immer CDU oder SPD gewählt hat. Weil die ja wissen, was sie tun.

Eine Mischung aus Vertrauen, dass die da oben das schon machen, Obrigkeitenhörigkeit und Null-Interesse, was tatsächlich dort gemacht wird.

Dann gibt es für den normalen Menschen hier so gut wie keine Erfahrungswerte, was Öffentlichkeitswirksamkeit angeht. Wer hat denn bitte schon mal eine Rede gehalten. Wenige bloggen. Ein paar schreiben den ein oder anderen Post bei Facebook. Aber dann mehr Catcontent oder das ein oder andere witzige Foto geteilt.

Wer kann seine eigene öffentliche Reichweite einschätzen oder gar richtig einsetzen? Aus übungstechnischen Gründen fehlt einfach der weiterführende Gedanke: wie kommen meine Aktionen nach Außen an? Was bewirken sie dort?

Selbst bei den aktuellen Protesten in Hamburg um die Rote Flora und das Esso-Gebäude habe ich eines vermisst: Information und Öffentlichkeitsarbeit. Dort gingen die Menschen schon einen Schritt weiter: Auf die Straße. Und das in einer Form, die wir alle gern anders gesehen hätten. Ich möchte mich darüber nicht allzu lang auslassen, auch weil ich die Ereignisse nur aus 2. Hand verfolgt habe. Deshalb hier ein Link zu Heise

hier noch ein Blog, der sich berechtigter Weise zum erwartungsgemäßen Verlauf auskotzt

und eine Zusammenfassung (noch ein Blog)

Alles in Allem haben sich auch hier die Proteste und die - anfangs noch zielgerichtete - Empörung verselbständigt und sind zum Selbstzweck gelaufen. All das, wofür man die Piraten lange angeprangert hat, was aber immer und immer wieder zum Symptom unserer gesamten Gesellschaft wird. Selbstdarsteller, wie Polizei, Politik, gewalttätige Demonstranten (ja ich habe gewalttätige geschrieben, weil für mich das zählt was getan wurde, von Wenigen, nicht das was jeder potentiell hätte tun können), haben die Bühne übernommen, und herausgekommen ist: ein Bericht über inakzeptables Verhalten von Polizei und einigen Demonstranten. Prima. Nicht.

Nun bin ich seit einiger Zeit bei den Piraten, habe gelernt, mich bei politischen Themen über mehrere Quellen über die Hintergründe zu informieren und gezielt zu suchen. Das habe ich nicht immer getan. Ich finde auch nicht immer die richtigen Quellen. Die mit den verständlichen Informationen.

Ich hätte gerne mal von den Beteiligten außer den üblichen Aufregern "die Polizei ist doof" "die Linksradikalen!!1!11" "Die Presse ist doof" mir als Ruhrpottmensch ein paar mehr Informationen gewünscht. Ich habe mich mit Hamburger Geschichte, auch der mit der jüngsten Zeit nur oberflächlich auseinandergesetzt. Meine Informationsquellen waren definitiv einseitig, sehr dürftig, und ich hatte gern mehr Hintergründe gehört. Mehr Berichte, von den Betroffenen selbst. Warum seid ihr so wütend? Warum sind die Argumente der Gegner invalide? Warum finde ich zwischen den ganzen Tweets, den ganzen Blogs so wenig Information dazu?

So geht es in eine Reihe mit so vielen politischen Themen, bei denen es wichtig wäre, auch den Rest der Öffentlichkeit auf die richtige Seite zu ziehen; Druck auf die Politik auszuüben. Selbst die eigene Filterbubble weiter zu informieren. Aber hier failt der Prozess. Hier ist die eigene Betroffenheit wieder im Vordergrund. Und ändern tut sich nichts. Schade.

Nachtrag - eine Analyse von NTV zu Hamburg