Tag Archives: Hamburg

Hier geht es weiter.

Kurz vor Toresschluss (das war ernst gemeint, der Saal wurde zum Schluss geschlossen, weil wirklich niemand mehr hereinpasste) konnte ich mir noch einen Stuhl im Vortrag "Bullshit made in Germany" ergattern. Linus erzählte über die technischen Irrungen von DE-Mail, Schlandnet und anderes Zeugs, das durch immer neuere Änderungen technisch völlig sinnlos ist. Dieser Vortrag wäre fast lustig gewesen. Fast. Wären hier nicht die knallharten Interessen, die Bevölkerung mit Placebos zu füttern (und dafür noch zusätzlich zahlen zu lassen, denn die DE-Mail kostet pro eingesetzter Mail), und in falscher Sicherheit zu wiegen. Würden kleine, eigenständige Unternehmen so etwas versuchen zu verkaufen, würde in meinen Augen so etwas schon unter Betrug fallen. Sind wir wirklich schon soweit das Volk mit Brot und Spielen zu unterhalten, damit ein paar in Ruhe und ungestört ihr Steuergeldermonopoly spielen können. Der Kongress lässt mich jeden Tag ein wenig nachdenklicher zurück.

20131229-103105.jpg

Tag 3 29.12.2013 19:20

Workshop beim Deutschlandradio. Wie bringe ich IT ins Radio? Der Slot war aufschlussreich, was Pressearbeit angeht. Vergleiche mit dem realen Leben, einfache Sprache zwischen technisch komplizierten Themen verwenden. Bei Audioformaten: Sprechtraining, Sprechtraining, Sprechtraining. Ich muss ja sagen: als ich auch mal eine Frage stellen durfte, wollte ich das Mikrofon am liebsten gar nicht mehr aus der Hand legen. So eine volle, runde Stimme, die die Technik da herausgeholt hat, habe ich ja im RealLife nicht. Seufz.

Die Sendung läuft auf Deutschlandradio um 16:30 am Samstag, und transportiert ein sehr technisches, eigentlich trockenes Thema. Wie viel Arbeit daran steckt, die Themen aktuell zu halten, trotzdem immer wieder am Ball zu bleiben und dabei interessant zu sein, ist auch für das professionelle Volk beim Radio nicht einfach. Dokumentation ist eben so wichtig, wie neue Aspekte bei den Themen wieder hereinzubringen. So will das Deutschlandradio den Routerzwang der geplant oder nicht, kommt oder nicht sehr genau in allen Bereichen im Auge behalten.

Hier bestehen in meinen Augen auch Parallelen zur Piratenwelt: Wichtige Themen werden nicht seperat nur in dem IT-Bereich betrachtet, sondern auch in der Politikredaktion und allen, die damit etwas zu tun haben können. So wird das Thema zu verschiedenen Sendungen unter vielfältigen Aspekten und Stammhörerschaften immer wieder unter die Leute gebracht. Wobei die Redatkionen sich aber untereinander abstimmen. Das ließe sich auf die Arbeitsgruppen übertragen.

 

 

 

Draußen bei den Rauchern ist es auch schön, kühl und windig. Anders, als in den Hallen. So läuft also mein erster Kongress recht angenehm.
Die Organisation vor Ort läuft freundlich, unauffällig und flüssig. Da könnte sich so manche kommerzielle Veranstaltung eine Scheibe von abschneiden.
http://events.ccc.de/congress/2013/Fahrplan/events/5281.html
Das war jetzt der erste Vortrag, den ich mir nach schnellem Auffinden der Kaffeetränke angesehen habe.
Live kommt sowas viel intensiver, als auf Youtube.
27.12. 15:47

20131227-170010.jpg

Mittlerweile komme ich kaum weiter, weil ich immer wieder auf bekannte Menschen treffe.

20131227-185305.jpg

Ok eine Pause. Ich habe also viel Zeit damit verbracht, Experimente mit der Rohrpostinstallation zu beobachten; in der endlos langen Schlange für Tshirts anzustehen, Menschen zu treffen und einfach zuzuhören.

Seidenstraße

Twitter so: "Es gibt eine Rohrpost auf dem 30C3"

"Warum???"

"Wie jetzt - warum?"

Update: Deutschlandfunk zur Seidenstraße

Die Gemeinsamkeit der meisten Anekdoten war: Menschen hören anscheinend in absolut jeder Situation standardmäßig auf zu denken, wenn ihr Hirn in einer bekannten Umgebung ankommt. Punkt. Keine weitere Denkleistung. Access denied. Hier wird der bekannte Prozess weiter gefahren. EGAL WAS PASSIERT. Es gibt keine Dummylösung. Nicht durch Software. Nicht durch tatsächliche Menschen, die aufpassen.

http://events.ccc.de/congress/2013/Fahrplan/events/5348.html

Der Kampf um Netzneutralität.
Das war einer der Vorträge, der mich eher nachdenklich zurückgelassen hat.
Ich empfehle auch hier, den Vortrag auf Youtube anzusehen. (Den Link füge ich noch ein). Was mich bei dieser Diskussion immer wieder erschreckt, ist die auf der einen Seite vorhandene Selbstverständlichkeit, mit der akzeptiert wird, dass Unternehmen die komplette Gesellschaft vor vollendete Tatsachen stellen darf.

Die Frage ist, was wir wollen. Und ob wenige (Unternehmen) über die Behandlung von Vielen (die mit Beiträgen und Steuern die Infrastruktur ebenfalls mit zahlen, die ihnen hinterher eingeschränkt zur Verfügung gestellt wird, damit diese hinterher noch mehr zahlen) entscheiden dürfen.

Das Argument: Wer mehr Leistung will, soll auch mehr zahlen, wurde hier recht gut mit dem Mautvergleich entkräftet: Bei einer Aufgabe der Netzneutralität würden nicht die, die mehr zahlen, schneller fahren dürfen. Sondern dann würde der, der mehr zahlt, darüber entscheiden dürfen, wer gar nicht mehr fährt.

Was neu für mich war: Dass die ursprüngliche Idee des Internets als End-to-End-Kommunikation, bei der jeder jeden Inhalt von jedem Gerät an jedes Gerät senden kann, aufgegeben wird. So argumentiert die Telekom ja dann auch, dass sie mit diesen Premiumdiensten eine Art TV anbieten würde (zu Lasten der kleinen Contentanbieter, wie z. B. Blogger).

20131227-234948.jpg

2. Tag 9:30 Guten Morgen! =_=

Mal ein paar Videos verlinkt, die mir so über den Weg liefen:
Rede von Greenwald

Keine Anhaltspunkte für flächendeckende Überwachung

Der ganze Rest

Und so Presse und so:
Heise: Automatismen erkennen Ironie als Gefahr

In der Lockpicking Area
Schlösser knacken als Hobby. Erster Effekt: ich werde nie wieder eine Tür nur zudrücken.

20131228-135535.jpg

10 Minuten später: Ich habe mein erstes, abgeschlossenes(!) Zylinderschloss geknackt. Anfänger - 10 Minuten! Merkt ihr was?

Der Link zu den Schlossöffnern

Nächster Vortrag: Die NSA im historischen Kontext BRD Das am meisten überwachte Land

Puh, dieser Vortrag war trocken. Trotzdem sollte man sich den, um sich überhaupt qualifiziert in der NSA-Debatte mitreden zu können, einmal anhören.

Ich habe mich eben mal ein bisschen zurückgezogen, weil ich inzwischen Reizüberflutung erlebe. Ich überlege grade aus welchem Vortrag der Break-Even-Point für Terrorismus war. Wir brauchen mindestens 337 Terroranschläge im Jahr, damit sich der Geldeinsatz für die Überwachungsmöglichkeiten überhaupt lohnt. Ich lache mich weg.

19:00 Tag 2:

Ich finde es immer noch unglaublich wie unreguliert gut das Miteinander läuft. "Mir fehlt ein Kabel für" - Wird sofort am Nachbartisch organisiert. Mein Netzwerkkabel hängt gerade an einem anderen Rechner, weil ich es selber nicht benötige. Getränkeflaschen werden nicht umständlich und nichtfunktionierend eingesammelt. An jeder Ecke stehen Getränkekästen, an denen ich meine leeren Flaschen los werden kann. Hin und wieder sirrt wieder eine neue Versuchssendung in der Rohrpost über die Hackerspaces. Ab und an explodiert etwas an den Rohrpostausgängen, was immer wieder zu neuer Belustigung führt.

Ich nehme mir gerade vor, unbedingt vor Morgen mehr zu schlafen, weil meine Hirnhälften abwechselnd in den Standby springen, und ich mich dann wirklich frage, was ich in den letzten Minuten gemacht habe. Dafür hatte ich dann vor c.a. 15 Stunden noch einen unglaublich schönen Spaziergang an den Hamburger Hafenanlagen entlang. Der Geruch von See, Maschinen und frischem Regen. Es war relativ warm und windstill (für Hamburger Verhältnisse), und ich musste nicht Massen an Touristen ausweichen. Auch das kann man hier abseits des 30C3 machen.

 

Tja, das ist in diesem Land nicht so einfach. Ich bin mir im Moment nicht sicher, ob es den Begriff ''Stammtischgespräche'' auch in anderen Sprachen gibt. Aber das ist so typisch. In der Kneipe können sich die Menschen aufregen, abreagieren, ihre Meinung festigen, und dann am nächsten Morgen wieder brav zur Arbeit gehen und so weiter machen wie jeden Tag.

So läuft fast jede Empörungswelle auf Twitter, fast jeder Shitstorm auf einer Mailingliste der Piratenpartei, in jedem Forum. Und dann? Ja die Politik tut sowieso, was sie will. Deshalb sind auch bei der Bundestagswahl so viele Menschen einfach nicht hingengangen. Außer vielen Alten, die zur Wahl gingen, weil man das eben so tut. Weil man ja schon immer CDU oder SPD gewählt hat. Weil die ja wissen, was sie tun.

Eine Mischung aus Vertrauen, dass die da oben das schon machen, Obrigkeitenhörigkeit und Null-Interesse, was tatsächlich dort gemacht wird.

Dann gibt es für den normalen Menschen hier so gut wie keine Erfahrungswerte, was Öffentlichkeitswirksamkeit angeht. Wer hat denn bitte schon mal eine Rede gehalten. Wenige bloggen. Ein paar schreiben den ein oder anderen Post bei Facebook. Aber dann mehr Catcontent oder das ein oder andere witzige Foto geteilt.

Wer kann seine eigene öffentliche Reichweite einschätzen oder gar richtig einsetzen? Aus übungstechnischen Gründen fehlt einfach der weiterführende Gedanke: wie kommen meine Aktionen nach Außen an? Was bewirken sie dort?

Selbst bei den aktuellen Protesten in Hamburg um die Rote Flora und das Esso-Gebäude habe ich eines vermisst: Information und Öffentlichkeitsarbeit. Dort gingen die Menschen schon einen Schritt weiter: Auf die Straße. Und das in einer Form, die wir alle gern anders gesehen hätten. Ich möchte mich darüber nicht allzu lang auslassen, auch weil ich die Ereignisse nur aus 2. Hand verfolgt habe. Deshalb hier ein Link zu Heise

hier noch ein Blog, der sich berechtigter Weise zum erwartungsgemäßen Verlauf auskotzt

und eine Zusammenfassung (noch ein Blog)

Alles in Allem haben sich auch hier die Proteste und die - anfangs noch zielgerichtete - Empörung verselbständigt und sind zum Selbstzweck gelaufen. All das, wofür man die Piraten lange angeprangert hat, was aber immer und immer wieder zum Symptom unserer gesamten Gesellschaft wird. Selbstdarsteller, wie Polizei, Politik, gewalttätige Demonstranten (ja ich habe gewalttätige geschrieben, weil für mich das zählt was getan wurde, von Wenigen, nicht das was jeder potentiell hätte tun können), haben die Bühne übernommen, und herausgekommen ist: ein Bericht über inakzeptables Verhalten von Polizei und einigen Demonstranten. Prima. Nicht.

Nun bin ich seit einiger Zeit bei den Piraten, habe gelernt, mich bei politischen Themen über mehrere Quellen über die Hintergründe zu informieren und gezielt zu suchen. Das habe ich nicht immer getan. Ich finde auch nicht immer die richtigen Quellen. Die mit den verständlichen Informationen.

Ich hätte gerne mal von den Beteiligten außer den üblichen Aufregern "die Polizei ist doof" "die Linksradikalen!!1!11" "Die Presse ist doof" mir als Ruhrpottmensch ein paar mehr Informationen gewünscht. Ich habe mich mit Hamburger Geschichte, auch der mit der jüngsten Zeit nur oberflächlich auseinandergesetzt. Meine Informationsquellen waren definitiv einseitig, sehr dürftig, und ich hatte gern mehr Hintergründe gehört. Mehr Berichte, von den Betroffenen selbst. Warum seid ihr so wütend? Warum sind die Argumente der Gegner invalide? Warum finde ich zwischen den ganzen Tweets, den ganzen Blogs so wenig Information dazu?

So geht es in eine Reihe mit so vielen politischen Themen, bei denen es wichtig wäre, auch den Rest der Öffentlichkeit auf die richtige Seite zu ziehen; Druck auf die Politik auszuüben. Selbst die eigene Filterbubble weiter zu informieren. Aber hier failt der Prozess. Hier ist die eigene Betroffenheit wieder im Vordergrund. Und ändern tut sich nichts. Schade.

Nachtrag - eine Analyse von NTV zu Hamburg