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Wenn Angela Merkel wieder öffentlich bedauert, dass die Märkte erschreckt oder verunsichert sind, oder irgendein Kerl der Gewerkschaft der Polizei (es war ausnahmsweise nicht der Wendt) im Radio faselt "dass das Grundrecht des Staates auf Verbrechensaufklärung über den Grundrechten Einzelner stehen", platzt mir der Kragen.

Weder der Staat, noch der Markt, noch die Wirtschaft sind Gottheiten oder eigenständige Wesen. Es sind lediglich Zusammenschlüsse bzw. Organisationsformen, die wir Menschen irgendwann einmal geschaffen haben, um unser Zusammenleben einfacher oder besser zu machen.

Nebenher hat der Staat keine Grundrechte, denn die haben nur Menschen. Guckt mal hier: https://dejure.org/gesetze/GG

Natürlich macht es Sinn, wenn sich alle Kaufleute, alle Bauern einer Gesellschaft zusammentun, wenn sich Menschen in einem Glauben organisieren. Irgendwann haben wir wohl auch noch verstanden dass wenn es hieß "die Kirche muss geschützt werden" wir alle damit meinten "die Menschen brauchen einen Raum, eine Struktur, ihren Glauben gemeinsam auszuleben.

Dass "staatsfeindlich" bedeutete: da versucht jemand, unsere Strukturen, die uns Sicherheit geben, und Abläufe zur Verfügung stellen, zu zerstören.

Irgendwann ist uns, der Gesellschaft, das Thema wohl entglitten. Irgendwann fühlten sich die Staatsbediensteten selbst als "der Staat" und alle anderen waren "die da".

Und das ist der Punkt, an dem eine Demokratie nur noch in irgendwas Finsteres abrutschen kann. Wenn "der Staat", also die gewählten Vertreter, die für uns, das Volk arbeiten sollen im Volk, nur noch ein notwendiges Übel sieht, das dem Staat zuarbeitet, indem für die Staatsbediensteten Geld, Nahrung, Gedankenleistung und andere Güter erwirtschaftet werden, kann es nur noch finster werden. Das ist das Selbstbild, das Diktatoren und Despoten haben.

Wähler, die nur noch als notwendiges Übel zum Machterhalt gesehen werden, werden auch so behandelt. Die wichtigsten Arbeitsmittel, die sie brauchen, um ihren Teil der Arbeit zu erfüllen - eine gute Wahl zu treffen - werden den Wählern dann vorenthalten. Und das sind umfassende, gut aufbereitete, möglichst neutrale Informationen, und Bildung; Wissen und Verstehen um demokratische Prozesse und deren Gesamtzusammenhänge.

Ausschreitungen wie um den G20 Gipfel sehe ich weniger als eigentliches Problem denn als Symptom für eine Entwicklung, die ich nur noch als gruselig beschreiben kann. Während "die Polizei" zwischen Selbstherrlichkeit, Überforderung, totalem Ausrasten und Beamten, die versuchen, noch was zu retten, oszilliert, stehen dem entgegen Menschen, die auf etwas aufmerksam machen wollen neben denen, die einfach nur noch wütend sind bis zur Selbstaufgabe, dann haben wir das, was der Volksmund so in seiner Angst um den eigenen Status Anarchie schimpft.

Und ja, ich weiß, Anarchie selbst ist noch etwas anderes und differenzierter, aber belassen wir es hier an der Stelle dabei.

So bleibt einer hilflosen Presse nur noch über "die Polizei" oder "den schwarzen Block" zu schreiben, meist mit dem Ergebnis, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen, die es für sich stehend, gar nicht gab. Wieder verlieren sie aus den Augen, dass einzelne Menschen aus vielfach unterschiedlicher Motivation handeln. Dass Kritik an "der Polizei" sowohl die Führung, die übergeordnete politische Instanz als auch eine Anzahl einzelner Polizeibeamter kritisieren kann. Dass Veröffentlichungen "den schwarzen Block" versuchen zu fassen, um dem Leser oder Höhrer eine zuverlässige Einsortierung zu geben, egal um es sich um Hooligans handelte, die die Gunst der Stunde nutzten, um die Lage aufzumischen, ob es sich um Personen handelte, die Polizei und Staat ablehnen, und deshalb mit Feuer und Steinen auf die Menschen, in denen sie das Gesicht der anderen Seite erkannten, losgingen, oder nur um Menschen, die friedlich aber unerkannt für eine andere Sicht der Dinge und der Gesellschaft argumentieren, oder sich einfach nicht durch "den Staat" aus ihrer Heimat vertreiben lassen wollten.

Nichts spricht dagegen, mal über die einzelnen Institutionsformen oder deren Organisation und Struktur zu diskutieren. Dabei auch abstrakte Begriffe mit Verallgemeinerungscharakter zu verwenden. Aber sobald wir die Probleme wirklich lösen wollen, müssen wir uns mit den Menschen dahinter beschäftigen; ihrer Motivation, und wir wir ein Zusammenleben schaffen können, in dem Menschen wieder zählen. Wie wir die Menschen, die uns das Zusammenleben erleichtern, stärken. Menschen verstehen lernen, die einfach anders denken, oder andere Ideen haben. Dann klappt das auch wieder mit der Demokratie. Und dann schaffen wir auch wieder eine Lebensform, die gewisse Auswüchse einfach aushält.

Was ich in den Zeiten von Trump und AfD erlebe ist, dass sich die Demokraten zurücklehnen und lässig auf Dokumente vergangener Tage hinweisen, wo sie "es doch gesagt haben".

Selbst Fefes satirisches "Told you so" in seinem Blog kommt immer wieder vor.

Während der Rest mangels Argumenten die Menschen mit ständigen Wiederholungen weichspült, wie @Afelia aka Marina Weisband hier treffend beschreibt: https://twitter.com/VassiliGolod/status/823152510210887680, hier ein anderer Post mit selbem Thema in englisch: https://twitter.com/rascouet/status/823035518313267202

Deswegen macht es Sinn, auch zum hundertsten Mal die validen Argumente hervorzukramen und zu erklären, warum Ausgrenzung, Rassismus und Nationalismus eine dumme Idee sind. Nicht, weil ihr euren momentanen Sparringspartner im Internet überzeugen könntet. Sondern weil diese sonst Menschen mitreißen oder wenigstens müde klopfen könnten.

 

Immer mehr Länder werden immer weniger demokratisch, folgen Populisten.

Was erwartet uns in Deutschland? Was wird aus den Menschen in den Ländern, in denen die Demokratie schwindet und die dünne Schicht der Zivilisation langsam zerreißt?

FrauMaja schreibt hier treffend, darüber, dass die Nachteile nicht so offensichtlich sind, wie es Einige erwarten. http://fraumaja.de/2016/11/14/vielleicht-sollten-bei-uns-mal-die-rechtspopulisten-an-die-macht-kommen-gegenrede/

Ist die Quelle nun echt oder nicht? Der BBC schreibt darüber, was der Brexit bisher gebracht hat. Direkt nach dem Volksentscheid in UK ruderten die Marktschreier, die ihn herbeigeführt hatten zurück. Die prognostizierten Zahlen waren wohl eher nicht fundiert, und überhaupt macht das Land bislang wenig Anstalten, den Austritt aus der EU wirklich zu vollziehen. Was übrig bleibt ist Streiterein, verunsicherte Menschen, und Firmen, die um ihre Fachkräfte kämpfen.

http://www.bbc.com/news/uk-politics-37983948?ns_mchannel=social&ns_campaign=bbc_breaking&ns_source=twitter&ns_linkname=news_central

Während in der Türkei immer mehr Menschen sowohl um ihren Job als auch um ihre Freiheit bangen. Wer Erdogan nach dem Mund redet, fühit sich noch halbwegs wohl. Wer das nicht tut, oder in der Vergangenheit nicht tat, muss zurecht Angst haben.

http://www.derwesten.de/politik/cumhuriyet-journalisten-kaempfen-wir-ergeben-uns-nicht-id12359007.html

Aus Polen häufen sich die unangenehmen Nachrichten, und die Nachrichtenlage zur Ukraine wird mir gerade zu unübersichtlich.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/paramilitaer-polen-russland-verteidigung-zivile-kampfgruppe

Alles in allem wird es nur ungemütlicher. Menschen verfallen in Aktionismus, ohne die tatsächlichen Ursachen ihrer Ängste und Probleme zu bekämpfen. Es trifft zuerst andere Menschen. Wegsehen ist also noch bequem möglich. Und auf die Idee, dass auch die Rechte der restlichen Bevölkerung eingeschränkt werden, kommt so schnell niemand.

Menschen, die die Populisten wählten, weil sie sich gegen die Undurchschaubarkeit der Politik und Willkür der Gesetzgebung verunsichert fühlten, bekommen das genaue Gegenteil. Das ist, wie eine Lawine vermeiden zu wollen, indem man den Schnee am Fuß des Berges zuerst abträgt. Es kostet viel Mühe; erstmal passiert nichts; und dann ist der Zerfall irgendwann unausweichlich.

kreide

Vor wenigen Tagen hat mich eine kurze Radiodurchsage hellwach gemacht. Militärputsch in der Türkei. Brücken gesperrt. Man weiß noch nichts genaues. 

Nachdem ich in den vergangenen Monaten schon oft die Sorgen von Menschen aus meinem Umfeld hörte, die durch Heirat oder Abstammung Verwandte in der Türkei haben, dachte ich nur: ach du Scheiße.  Mein Bauchgefühl sagte mir, dass weder ein Militärputsch, noch ein Rückschlag der türkischen Regierung die Lage verbessern könnte. 

Und dann traten die schlimmsten Befürchtungen ein. 

In kürzester Zeit finden Überlegungen statt, die Todesstrafe für mindestens die Putschisten, wenn nicht gar für alle Sympathisanten, oder gleich alle, die irgendwas gegen die Regierung sagten und somit schon irgendwie dazu gehören, wieder einzuführen.

Zehntaussende Akademiker, Staatsbeamte, Richter werden entlassen, wenn sie nicht als unbedingt staatstreu gelten.

Und ehrlich gesagt - wer würde eine "demokratische" Abstimmung jetzt noch gegen die Meinung Erdogans ankreuzen, wenn er dadurch um das Wohlergehen seiner Familie oder um sein Leben fürchten müsste.  

Aber wie sieht das Ganze denn in Deutschland aus? Aus vielen Mündern höre ich derweil: Wir hier in DE, wir hätten gar keine Demokratie mehr. Die Politik macht doch, was sie will

Und in der Tat, glänzten gewählte Parteien in letzter Zeit nicht gereade dadurch, Wahlversprechen einzuhalten. Es herrscht ein seltsames Selbstverständnis, dass Pesonen sich durch die Wahl zu einer Megakompetenz erhoben fühlen. Vielen Politikern ist gar nicht mehr bewusst, dass sie nicht wegen ihres strahlenden Charakters und ihrer Unfehlbarkeit (ich kichere grad beim Schreiben) wählten, sondern weil sie den Wählern bestimmte Dinge versprachen.

Aber das Ergebnis, wenn Dinge nach der Wahl plötzlich nicht mehr sind, wie vor der Wahl, ist, dass der handelsübliche Wähler resigniert. 

Das bloße Gefühl, nichts mehr ausrichten zu können, genügt mittlerweile. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse erlauben Vielen nicht mehr, sich ausreichend zu informieren. Populismus scheint als bequeme und wirksame Methode, doch noch etwas zu bewegen. Aber wohin? Solange sich die Gebildeten zurücklehnen, und die Verantwortung ablehnen (der Pöbel hätte sich doch informieren können), wird unsere Gesellschaft immer mehr gespallten und die Abschaffung einer Demokratie erfolgte zuerst in schleichenden, kleinen Schritten. 

Ich wünsche mir, dass wieder mehr Menschen laut werden, und sich für ihre Belange einsetzen. Denn nur so können wir die jetztigen Freiheiten wahren. Können uns unbesorgt in der Bar und auf der Straße; oder hier im Internet; über Politiker und Politik mockieren. 

Wisst ihr noch, wie damals die Kumpels im Pott auf die Straße gingen, und gegen die Schließung ihrer Zeche protestierten? Proteste verganger Zeiten haben immer etwas bewirkt. Manchmal Kleingkeiten. Machmal auch nur vorübergehende Pattisituationene, die aber einem passenden Ersatz Zeit gaben, Fuß zu fassen. Aber wenn wir warten, bis die Wut zur Verzweiflung wird, ist Gewalt nicht mehr weit. Und das kann niemand mehr steuern. Regt euch auf, bevor die Büchse der Pandora nicht mehr zu schließen ist, und ihr die Gelassenheit verliert, euch über Sinnhaftigkeit und Hintergründe zu informieren.

Truth - Invertigo

Im Moment passiert viel in der Welt und in der Gesellschaft. Während Staaten in Krieg, Bürgerkrieg und Chaos versinken, erreichen uns in den letzten Tagen viele Flüchtlinge. Und einige Menschen zeigen inzwischen offen ein Gesicht, das fast unerträglich ist.

Facebook geriet in der letzten Zeit in Kritik, dass es zwar ''Nippelbilder'', sprich Bilder von nackten Brüsten zensierte, nicht aber Hassreden, sowie klare Beispiele von Volksverhetzung oder Aufrufen zu Straftaten.

Aber was macht man mit der Bandbreite an Menschen, die von populistischen menschen- und gesellschaftfeindlichen Äußerungen über rassistische und beleidigende Kommentare hin zu offenem rechtsradikalen Gedankengut von sich geben?

Immer häufiger lese und höre ich davon, dass diese Menschen doch ihren Arbeitgebern gemeldet werden sollten, damit diese ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen, und wenigstens solche Mitarbeiter kündigen.

Dieser Ruf nach dem großen Bruder mit dem starken Arm erfüllt mich mit einem gewissen Gruseln.

Strafbar oder nur Scheiße?

Zum Einen sollten wir uns im Klaren sein, dass nicht alles, was moralisch daneben ist, einen katastrophalen Zustand der Sozialkompetenz offenbart, auch strafbar ist.

Es gibt Fehlverhalten, mit denen wir uns als Gesellschaft selbst auseinander setzen können. Der Staat ist dazu da, dort einzugreifen, in dem Einzelne sich nicht mehr schützen können, oder wo ein Klima entsteht, in dem das generell der Fall ist.

Ich habe zum Beispiel die Freiheit, eine Beleidigung anzuzeigen, oder einfach zu ignorieren. Ich kann entscheiden, ob ich die derbe Sprache aufgreife, oder ob das so schlimm ist, dass ich eine übergeordnete Instanz einschreiten lasse. Ein Mord wird immer vom Staat geahndet, selbst wenn sich für den Toten niemand interessiert.

Aber diese Dinge, die nicht strafbar sind; die will ich nicht!

Ja, es gibt unerträgliche Menschen. Es gibt Menschen, die sich so benehmen, dass niemand ihre Gesellschaft will. Und es gibt Menschen, die Äußerungen treffen, die in mir jeden Funken an Verachtung und Ekel so hochkochen lassen, dass ich ihnen am liebsten auf die Füße kotzen würde. Und dann kommt die kleine Stimme des Unterbewusstseins auf dem Off: "sowas gehört doch verboten". Weil es Schadet, weil es Menschen weh tut, weil es mir weh tut.

Demokratie 

Wollen wir uns vor der Verantwortung drücken? In einer Demokratie gehen Macht und Regierung vom Volke aus. Das heißt nicht, dass jegliche Aktion oder Gesetzgebung frei von Fehlern ist. Eine Gesellschaft, in der alles reglementiert ist, und Abweichungen nicht mehr zugelassen werden, ist dazu verdammt zu erstarren. Eine Weiterentwicklung ist nicht möglich.

Je flexibler und selbstregulierender eine Gesellschaft allerdings ist, desto stabiler bleibt sie und flexibler reagiert sie auf äußere Einflüsse, auf Fehlverhalten oder unerwartete Entwicklungen.

Seht euch die ersten Hilfswellen für die Flüchtlinge an. Es war nicht reguliert. Es war nicht geplant. Menschen machten da auch Fehler, und hatten keine Vorgaben. Aber sie waren sich einig und waren damit effektiv.

Legislative, Exekutive und Judikative

Die Gewaltenteilung ist einer der Stützpfeiler unserer Demokratie. Diese Gewalten werden durch den Staat ausgeführt. Auch wenn es hier in der Durchführung oft hapert, ist die Grundidee, dass Vorgaben für diese staatlichen Stellen durch das Volk mit Hilfe von Wahlen und Mitbestimmung gemacht werden, nicht falsch.

Der Ruf, diese Elemente auf private Unternehmen zu übertragen, ist ein Spiel mit dem Feuer, das eine Demokratie nicht überleben kann. Wer entscheidet dann noch, was moralisch richtig ist, und bestehen darf? Was damit passieren kann, zeigen Beispiele, wie die Geschichte von Wikileaks. Ohne dass ein strafbares Handeln festgestellt wurde, wurden Firmen wie Visa und Paypal verpflichtet, für Wikileaks keinen Finanzverkehr mehr durchzuführen. Es gab also empfindliche Strafen, ohne dass jemals ein öffentlicher Prozess stattfand, der die Rechtmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit festgestellt hätte.

Wie soll ein Unternehmen, mit wenigen Entscheidern also reagieren? Auf eine Einzelanfrage aus der Politik? Auf einen kollektiven Shitstorm auf einem Medium? Aus eigener Überzeugung? Dann kann sich aber niemand mehr sicher sein, ob sein Verhalten gerade toleriert wird. Nichts muss mehr überprüft werden. Und kein Fehler darf je mehr verziehen werden.

Wenn wir derartige Strukturen zulassen, ja sogar fördern, dann ist es nur noch eine Frage der Macht, wer die Strukturen dann kontrolliert, und damit entscheidet, was richtig ist. Das wäre das Ende der Demokratie. Wollen wir das Recht des Stärkeren als moralische Instanz?

"Willst du das dein Therapeut, deine Altenpflegerin, dein Arzt, dein Anwalt, deine Krankenschwester Rassistisch ist?"

Nein, ich will das nicht. Aber das habe ich nicht für andere Menschen zu entscheiden. Auch wenn mir der Gedanke zuwider ist. Wenn ich das verhindern wollte, müsste ich jeden Menschen  in seinen privatesten Äußerungen durchleuchten. Totale Überwachung wäre alternativlos. Vorratsdatenspeicherung ein Muss. Wenn Menschen in ihrem Job ihren Arbeitgeber missbrauchen, um ihre Ideologien durchzuprügeln - noch schlimmer - zum Nachteil Anderer ist dies zu Recht ein Kündigungsgrund. Wenn ein Angestellter mich als Kunden missbraucht, indem er seine verachtenswerten Ansichten kund tut, lehne ich ab, mich von ihm bedienen/behandeln zu lassen.

''Glaube, familiäre Werte, Sexualpraktiken sind eine Sache, Gruppenspezifischer Menschenhass eine ganz andere - der schadet direkt.''

Nun, hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Ersteres beschreibt, wie ein individueller Mensch sein Leben lebt. Welche Ideen und Überzeugungen er in sich trägt. Das Andere beschreibt einen assozialen Charakter. Der Zusatz "der schadet direkt" weist darauf hin, dass dieser im beschriebenen Fall auch ausgelebt wird.

Darf ein Mensch sich ändern? Darf er dazu lernen? 

Und noch so ein kitzeliges Thema? Mit Nazis reden? Wuah. Das hört sich nach flauschigem Kaffeekränzchen mit Tee an, und verständnisvollem Kopfnicken. Eh. Nein. HIer empfehle ich für Situationen, in denen Ausweichen schwierig ist, höchstens das Buch "Wie man mit Fundamentalisten argumentiert, ohne den Verstand zu verlieren". 

Nicht, um diesem Gewäsch ein Podium zu bieten. Nicht, außer als verbaler Sparringspartner.

Aber was ist mit dem Grenzwertigen? Ich rede nicht von dem pöbelnden Pegida-Mob oder Neonazi-Märschen müt übelster Hasspropaganda. Ich rede von der gesellschaftlichen Mitte. Die Überlegungen äußert, die von sozialer Kälte, Empathielosigkeit und Hass durchsetzt sind.

Ist ein Mensch noch ein Nazi oder rechtsradikal, wenn er nach einer kurzen Entgleisung erkannt hat, dass er einen Fehler begangen hat. Der sich geändert hat. Der vielleicht nur eine sehr dumme Äußerung getätigt hat, über Flüchtlinge, über Ausländer oder Migranten, und sich davon distanzieren will, wenn er darüber nachgedacht hat? Natürlich darf man diesen Menschen fühlen lassen, dass das mies war. Aber lebenslange Ächtung? Hier stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit wieder.

die eigenen Rechte

Oha, was kommt jetzt? Poche ich als weiße, privilegierte, heteresexuelle … eh … Frau (irgendwas ist ja immer) etwa noch auf meine Rechte? Ja, das tue ich. Auch ich habe das Recht, eine Demokratie zu fordern, eine offene Gesellschaft zu fordern. Ich habe das Recht, Freunde mit jedweder Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Herkunft zu haben. Ich habe das Recht, mit diesen Menschen zu arbeiten, zu kommunizieren, zu feiern und vieles mehr. Ich habe das Recht, anderen Menschen zu sagen, dass ich sie oder ihre Äußerungen Scheiße finde. Ich habe das Recht, jemanden, der andere Menschen rassistisch beleidigt meines Hauses/meiner Wohnung zu verweisen. Ich habe das Recht, auf die Straße zu gehen, und für die Interessen von mir oder anderen Menschen zu demonstrieren; dort laut zu sein, und dort Andere zu stören.

"Aus großer Macht folgt große Verantwortung"

Zurück zur Demokratie. Alle Macht geht vom Volke aus. Diese Macht gibt uns - uns heißt in diesem Fall jedem Einzelnen - die Verantwortung, für einen menschenwürdigen Umgang mit jedem in dieser Gesellschaft zu sorgen. Das beinhaltet die Versorgung von Bedürftigen. Das beinhaltet auch verhältnismäßigen Umgang mit Verstößen gegen diese gesellschaftliche Ordnung. Meine Verantwortung liegt auch darin, dass ich Menschen in meiner Umgebung schütze, indem ich für sie einstehe; indem ich mich selbstbewusst äußere, wenn sie durch Idioten angegriffen werden. Dies betrifft eben diese Grenzbereiche, die noch nicht in eine Strafbarkeit ausufern. Die Verantwortung für andere Menschen liegt aber auch darin, sich nicht in Sicherheitssystemen einzumummeln, sondern mit wachem Verstand zu überdenken, und zu fordern, was zu einer offenen Gesellschaft führt. Ohne einen Albtraum für Freiheit, Kreativität und Individualität zu erschaffen.

 

Weiterführende Links:

http://www.vice.com/de/read/ich-bin-gegen-blockwarte-im-internet-udo-vetter-432

http://m.tagesspiegel.de/politik/facebook-die-moral-der-anderen/12307258.html?

 

 

Die repräsentative Demokratie frisst ihre Kinder - ein Artikel auf Heise.de.

Wie so Viele um mich herum frage ich mich, ob die gefühlte Abwärtsspirale überhaupt noch aufzuhalten ist. Ich höre Worte wie Postdemokratie, und mache mir Sorgen über den resignierten Tonfall, den ich dort zu hören bekomme.

Ich höre, wie besorgt 'Bürger' über geplante 'Asylantenheime' (hey es heißt Asylbewerberheime) sind, mit der Begründung, ein solches Heim würde den Stadtteil weiter abwerten. Allein diese Begründung gruselt mich. Hier wird also über den Wert von Menschen diskutiert, mit einer bereits fest definierten Wertung, die ich so gar nicht akzeptieren kann.

Menschen werden nicht mehr als Menschen akzeptiert, und diejenigen, die mit verspannter Körperhaltung eine Lösung von den Piraten erwarten, suchen einen Kanal, um ihre Aggression, ihre Wut herauszulassen.

Und ja, ich kenne die eigenen Existenzängste. Das beklemmende Gefühl, dass der eigene Job nicht mehr so sicher ist. Die Irritation und Machtlosigkeit, die die aktuelle Politik in mir hervor ruft. Aber ich nehme mich auch davor in Acht, vorschnell einen Schuldigen dafür zu suchen. Im Mittelalter waren es Hexen und Juden, heute ist es "der Ausländer".

Ich will das nicht. Ich möchte mich weiter mit Menschen treffen, mich austauschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Sprache oder ihrem sozialen Hintergrund. Egal, ob sie Männlein oder Weiblein sind. Und ich möchte, dass die Politik hier die Interessen Aller vertritt. Eben damit ich auf meiner Ebene nicht allein alle Lösungen und Kompromisse finden muss. Damit ich einfach Leben kann.

Deshalb ist es so wichtig, nicht nach unten zu treten, und diejenigen abzustrafen, die für die politischen Fehlwege am Wenigsten können, sondern jederzeit mit einem Schritt Abstand zu überlegen, was es eigentlich ist, was die Rahmenbedingungen definiert. Dann haben wir auch vielleicht wieder eine Chance, diese Welt mit zu gestalten.